JULIA COLLECTION Band 12
beißt nicht und ich auch nicht“, ertönte eine Stimme von drinnen. „Dieser Hund ist fauler als ein Bär im Winterschlaf. Er heißt Bo und mit Nachnamen Regard. Also Bo Regard. Steigen Sie einfach über ihn.“
Gaylynn tat es vorsichtig. Der Hund hob den Kopf ungefähr zwei Zentimeter, ließ ihn aber gleich wieder fallen. „Das ist ein ziemlich großes Tier, das Sie da haben.“
„Oh, er gehört nicht uns. Er besucht uns nur jeden Tag. Das muss an meinem Talent für Konversation liegen. Sie sind ein toller Anblick für meine schlechten Augen.“
„Wie bitte?“, fragte Gaylynn verblüfft.
„Achten Sie nicht auf ihn“, riet ihr eine ältere Frau, die nun hinter dem Tresen hervorkam. „Floyd sagt das zu jedem weiblichen Wesen unter hundert, das durch die Tür kommt. Ich heiße Bessie. Bessie Twitty. Und dieser geschwätzige Mann ist mein Ehemann Floyd. Sie müssen die Schwester von Hunters Freund sein. Aus dem Norden, nicht?“
Gaylynn nickte. Sie wunderte sich nicht mal darüber, woher Bessie das wusste. „Aus Chicago.“
Bessie schnitt eine Grimasse. „Ich hasse Großstädte.“
„Du warst nie in einer“, erwiderte Floyd.
„Doch. Ich war einmal in Knoxville. Das hat mir gar nicht gefallen.“
„Und meine Augen sind wirklich schlecht“, erklärte Floyd. „Deshalb muss Bessie meine Postaufgaben übernehmen.“
„Sind Sie hier, um Briefmarken für Postkarten zu kaufen?“, fragte Bessie Gaylynn. „Wir haben wenige Touristen in dieser Gegend, deshalb besteht kein großer Bedarf an Briefmarken für Postkarten.“
„Außer wenn Ma Battle bei einem dieser dummen Preisausschreiben mitmacht“, mischte sich Floyd ein.
„Die Frau bekommt mehr Post als alle anderen in der Stadt zusammen“, berichtete Bessie. „Wie viele Briefmarken brauchen Sie? Tut mir leid, ich habe Ihren Namen nicht verstanden.“
„Ich heiße Gaylynn, und ich brauche keine Briefmarken.“
„Sie haben nicht getankt“, stellte Floyd fest.
„Ich bin wegen Lebensmitteln hier“, antwortete Gaylynn.
„Gewöhnlich holen die Leute ihre Vorräte im Piggly-Wiggly in Summerville.“
„Wie weit weg ist das?“
„Ungefähr vierzig Minuten mit dem Auto.“
„Eine Stunde, wenn man sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung hält“, meinte Bessie.
„Ich bin schon auf diesen Straßen gefahren, bevor es Geschwindigkeitsbeschränkungen gab“, erklärte Floyd.
„Ich würde lieber nicht so weit fahren“, sagte Gaylynn. „Ich hole mir einfach hier, was ich brauche.“
„Wir haben keine große Auswahl“, gestand Bessie.
„Aber wir haben von jedem etwas“, fügte Floyd hinzu.
„Nur nicht viel“, erwiderte Bessie.
„Und wir haben keine von diesen Tiefkühl-Fertiggerichten.“
„Allerdings haben wir eine Menge Eiskrem.“
Gaylynn bekam allmählich Nackenschmerzen, weil sie immer zwischen Bessie und Floyd hin- und herblicken musste. Das erinnerte sie an ein Tennisspiel, nur mit Worten statt eines Balls.
„Was ist mit Thunfisch? Und Katzenfutter?“, fragte sie.
„Da können wir Ihnen wohl helfen. Haben Sie aus der Stadt Katzen mitgebracht?“
„Tatsächlich habe ich im Wald eine Familie gefunden, eine Mutter mit zwei Jungen. Ob sie wohl jemandem hier in der Gegend gehören?“
„Nicht dass ich wüsste. Wahrscheinlich sind es Streuner. Von denen haben wir eine Menge.“
Und ich gehöre auch dazu, dachte Gaylynn. Sie kaufte eine Reihe von Sachen, die sie seit Jahren nicht gegessen hatte … wie Haferflocken in einer Schachtel statt der Portionspackungen für die Mikrowelle. Das Brot, das sie hatten, war von jemandem im Ort frisch gebacken worden, und die Erdbeermarmelade war hausgemacht. Gaylynn nahm so viel Thunfisch und Katzentrockenfutter mit, wie da war, und da es keine Papiertüten gab, war sie froh, dass sie eine Stofftasche mitgebracht hatte, in der sie alles zum Auto schleppen konnte.
Aber zuerst musste sie noch mal über Bo Regard steigen, der diesmal den Kopf fast fünf Zentimeter hob. Er hatte ein Gesicht, das nur eine Mutter hätte schön finden können, war aber in seiner Hässlichkeit fast schon wieder niedlich.
Als Gaylynn ihre Einkäufe in den Kofferraum packte, hörte sie das Rauschen des Flusses. Als sie am Tag zuvor angekommen war, hatte sie bemerkt, dass die Häuser von Lonesome Gap alle in einer langen Reihe zwischen der zweispurigen Straße und dem Fluss lagen. Dahinter erhoben sich die Berge, üppig grün bewachsen.
Gaylynn wäre vielleicht länger geblieben, wenn die Twittys sie
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