JULIA COLLECTION Band 12
junges Mädchen mehr war, und verdrängte diese Gedanken, bevor sie sich weiter ausbreiten konnten. „Ich bin sicher, die Vögel sind froh darüber, dass du es immer noch kannst“, erwiderte sie trocken. „Aber ich habe keine Flügel und brauche deine Hilfe nicht.“
Hunter streifte sanft ihre Schulterblätter mit den Fingerspitzen. „Erinnerst du dich, dass Michael dir einmal erzählt hat, hier würden dir Flügel wachsen, wenn du älter wirst?“
„Und ich habe ihm das abgenommen, weil ich als Kind leicht zu beeinflussen war.“
„Bist du das immer noch?“
„Manchmal.“ Sie trat weg von ihm, um seiner Berührung zu entfliehen, die sie in Versuchung führte. „Immerhin habe ich zugelassen, dass du heute herkommst und mich piesackst.“
„Du hast vergessen, die herrliche Mahlzeit zu erwähnen, die ich gekocht habe. Morgen kannst du das übernehmen.“
„Hey, ich bin nicht in die Berge gekommen, um zu kochen!“, protestierte sie.
„Warum bist du dann hergekommen?“
Aber sie kannte inzwischen seine Taktik. „Ich habe diese Frage schon ein paarmal beantwortet. Vielleicht solltest du mal dein Gehör untersuchen lassen“, spottete sie. „Wie alt bist du jetzt? Fast vierzig?“
Hunter wirkte nicht amüsiert. „Ich bin fünfunddreißig, und das weißt du verdammt gut.“
Diese arrogante Annahme ärgerte sie. „Verzeih mir, wenn ich zu beschäftigt war, um mir alles über dich zu merken.“
„Ja, ich habe davon gehört, dass du um die ganze Welt gereist bist.“
Sie entspannte sich. Bei diesem Thema fühlte sie sich wohler. „Das ist richtig. In den Sommerferien war ich immer viel unterwegs. Ich bin in Thailand auf Elefanten geritten, habe in Marokko am Strand geschlafen, in Singapur eingekauft, bin im Lake District in England nass geworden, und im Regenwald von Costa Rica war ich auch.“
„Und das ist alles Vergangenheit?“, wollte Hunter wissen.
„Na ja, jetzt bleibe ich im Lande.“
„Gibt es einen Grund dafür?“
„Einen finanziellen und die Tatsache, dass ich zwar eine Menge von der Welt gesehen habe, aber viele Orte hier in Amerika noch nicht. Die Blue Ridge Mountains zum Beispiel. Dies ist das erste Mal, dass ich in diesen Bergen bin.“
„Dann musst du unbedingt den Blue Ridge Parkway entlangfahren. Wir könnten es am Wochenende tun. Da habe ich frei.“
„Ich muss nirgendwohin fahren“, widersprach sie. „Ich kann die Berge von hier aus sehen.“
„Aber es gibt noch viel fantastischere Ausblicke.“
„Mir gefällt es hier gut.“
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du dich versteckst.“
Genau das hatte sie vorgehabt, und sie wollte sich von Hunter nicht daran hindern lassen, egal, wie sexy sie ihn immer noch fand. Mit seinem zerzausten Haar und den grünen Augen, denen nichts zu entgehen schien, erinnerte er sie an einen Wolf. Er war ein geborener Jäger, darauf trainiert, das zu bekommen, was er wollte. Sie musste daran denken, dass er aus ihr bloß die Wahrheit herausbekommen wollte, aber schon die war mehr, als sie ihm im Moment zu geben bereit war.
Da Hunter merkte, dass sie ihm ihre intimsten Gedanken nicht anvertrauen würde, wählte er ein weniger bedrohliches Thema. „Wie geht es dem Rest deiner Familie?“
„Gut. Dylan ist zur Hochzeit gekommen.“ Wenn ihr jüngerer Bruder, der ständig unterwegs war, vorgehabt hätte, länger zu bleiben, hätte Gaylynn ihre Reise in die Berge um ein oder zwei Tage verschoben. Sie hatte Dylan vorher ein Jahr lang nicht gesehen.
„Was tut er denn in letzter Zeit? Hat er das Um-die-Welt-Reisen von dir übernommen?“
„Er hält sich an den Westen der USA, bleibt aber nie lange an einem Ort. Er zieht von einem Rodeo zum anderen und hat schon einige Preise gewonnen. Und hast du gehört, dass Michael und Brenda ein kleines Mädchen adoptiert haben? Hope ist wundervoll. Und klug. Natürlich bin ich ihre Lieblingstante.“
„Hat sie dir das gesagt?“
„Sie spricht noch nicht viel. Schließlich ist sie erst gut neun Monate alt. Ich habe ein Foto von ihr mitgebracht.“ Gaylynn holte ein Album im Taschenformat hervor.
„Scheint mir ein ganzes Buch zu sein“, meinte Hunter trocken.
„Ja. Siehst du, wie niedlich sie ist?“ Gaylynn klang aufgeregt, als sie ihm die Fotoserie zeigte. „Ist sie nicht das süßeste Baby, das du je gesehen hast?“
Hunter nickte. „Es überrascht mich, dass du nicht in ihrer Nähe bleiben wolltest. In diesem Alter wachsen sie schnell, nicht
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