JULIA COLLECTION Band 12
dann davon ab, dir zu holen, was du willst?“, fragte Brenda.
In diesem Moment fiel es Spook plötzlich ein, hinter Blue herzujagen. Normalerweise war es umgekehrt. Das brachte Gaylynn auf eine Idee. Was würde geschehen, wenn sie aufhörte, vor ihren Ängsten davonzulaufen, und stattdessen anfing, sich auf die Jagd nach dem zu machen, was sie wollte?
„Man weiß so was doch nie, solange man es nicht versucht, oder?“, sagte Brenda gerade. „Gaylynn, bist du noch da?“
„Ja. Und ich hatte eben eine Erkenntnis. Du weißt schon, die Art, wo in den Witzzeichnungen immer eine Glühbirne über dem Kopf aufleuchtet. Jetzt ist mir klar geworden, was ich tun sollte.“
„Gut. Willst du es mir erzählen?“
„Ich werde Hunter Davis verführen. Hast du irgendwelche Vorschläge für mich?“
Als Gaylynn am Samstagmorgen zur Bücherei kam, fand sie dort schon eine kleine Menschenmenge vor. Jedenfalls hatte sie inzwischen gelernt, dass man in einem Ort wie Lonesome Gap zwei Dutzend Leute durchaus als „Menschenmenge“ bezeichnen konnte.
Ein paar Picknicktische waren vor dem Haus aufgestellt worden. Die gelben Tischtücher flatterten im Wind, konnten aber nicht davonfliegen, weil jemand ein paar schwere Steine auf die Ecken gelegt hatte. Mehrere Frauen gossen Kaffee ein und verteilten Muffins. Gaylynn erkannte Floyd und Bessie Twitty und ihren Enkel Boone, Ma Battle und Darlene, die Kellnerin aus dem Café. Die zwei älteren Männer, die Gaylynn dort von der Wette erzählt hatten, überwachten jetzt einige Jugendliche, die Unkraut jäteten. Es war eine Menge los.
Hunter war ebenfalls da. Gaylynn spürte das, noch bevor sie ihn tatsächlich sah. Der Wind zerzauste sein Haar, sodass er noch ein bisschen verwegener wirkte. Eine Pilotenbrille verdeckte seine Augen, aber sein unverschämtes Lächeln verbarg sie nicht.
„Ich war nicht sicher, ob ich dich heute hier treffen würde“, sagte Gaylynn.
„Das würde ich nicht um alles in der Welt versäumen. Komm, da sind ein paar Leute, die ich dir vorstellen möchte.“
Tatsächlich waren es mehr als ein Dutzend, und sie waren alle auf die eine oder andere Art mit Hunter verwandt. Gaylynn bemühte sich zwar, konnte aber ein lächelndes Gesicht nicht vom nächsten unterscheiden. Da waren ein Jeff, ein Jerry, ein Noah und mindestens drei Jimmys.
„Wie viele Cousins hast du eigentlich in dieser Stadt?“, fragte sie Hunter schließlich.
„Nicht so viele, wie es früher mal waren“, antwortete er. „Eine Menge sind weggezogen. Jetzt sind nur noch ungefähr fünfzehn übrig.“
„Und ich dachte, ich wäre diejenige, die aus einer großen Familie kommt.“ Gaylynn schüttelte den Kopf.
„Ich bin eine Ausnahme in meiner Familie, weil ich keine Brüder oder Schwestern habe“, erklärte Hunter.
„Aber du hast genügend Cousins, um das auszugleichen.“
„Ist dir die Ähnlichkeit aufgefallen?“
„Ich habe mich nicht lange genug mit ihnen unterhalten, um festzustellen, ob sie genauso viel Unsinn reden wie du.“ Gaylynn grinste. „Ist das eine Art, mit einem Gesetzeshüter zu sprechen?“, erwiderte er.
Da er heute ein hellblaues Hemd und schwarze Jeans trug, fiel es Gaylynn leicht, zu vergessen, was für einen Beruf er hatte. Stattdessen war sie überwältigt von seinem Charme, als er sie damit aufzog, dass beim Saubermachen Spinnweben in ihrem Haar hängen bleiben würden.
Drei Stunden später waren alle Spinnweben und der schlimmste Dreck beseitigt. Die Türen standen offen, damit das Haus gut durchlüftet wurde. Der Frauenverein hatte genügend Eimer und Putzmittel mitgebracht, um den Holzfußboden zum Glänzen zu bringen. Die Regale waren ebenfalls abgewaschen worden und konnten nun wieder mit Büchern gefüllt werden. Die Fenster waren mit Essig geputzt worden und glänzten.
„Allmählich sieht es gut aus“, stellte Gaylynn fest.
„Ich sage Ihnen, wer wirklich gut aussieht“, erwiderte Darlene. „Hunter.“ Er und einer seiner jüngeren Cousins rückten gerade ein Regal auf die andere Seite des Raums. Da es inzwischen heiß geworden war, hatten beide ihre Hemden ausgezogen. „Wenn ich nicht verheiratet wäre …“ Darlene strich sich über die Stirn. „Meine Güte, Hunter hat diese sexy Haltung, die eine Frau innerlich dahinschmelzen lässt. Wissen Sie, was ich meine?“
„Ja, das weiß ich.“ Gaylynn fächelte sich mit einer Papierserviette Luft zu. Eine Sekunde später juckte ihre Nase, zweifellos von all dem Staub, den sie aufgewirbelt
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