JULIA COLLECTION Band 14
heiß. „Was meinst du denn damit?“
Er hob langsam die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Nichts Besonderes. Ich habe mir nur oft während schlafloser Stunden vorgestellt, was du wohl unter diesem strengen dunkelblauen Rock und dieser adretten weißen Bluse trägst.“
„Wirklich?“
Er richtete den Blick beinahe verträumt in die Ferne. „Immer, wenn ich keine Lust mehr hatte, die Galaxien und Nebel zu beobachten, ließ ich meiner Fantasie freien Lauf. Na ja, und automatisch landete ich bei dir und wie es wohl wäre, wenn du abends nach Hause kämst und wir dann … Also, für einen Mann der Wissenschaft habe ich eine recht ausgeprägte Fantasie.“
Sie hatte Mühe, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen. „Vielleicht hast du in der letzten Zeit zu viel gearbeitet.“
Er nickte. „Ja, das kann sein.“ Er machte ein paar Schritte auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand. Dann legte er ihr den Arm um die Taille und zog Rosemary an sich.
„Aber, Willis, was soll das?“ Sie legte ihm die Hände auf die Brust, als wollte sie ihn wegschieben, blieb jedoch bewegungslos stehen.
„Ich weiß es nicht, und ich will auch nicht darüber nachdenken. Ich will nicht immer nur denken, ich will handeln.“
„Was willst du denn tun?“, fragte sie leise.
Er zögerte nur sekundenlang. „Ich will mit der Frau schlafen, die mich liebt.“
Sie riss die Augen auf und starrte ihn an, dann aber senkte sie den Blick und versuchte zu bluffen. „Ich weiß ja nicht, Willis, aber meinst du nicht, dass die Frau nicht gerade begeistert sein wird, dass du mich umarmst?“
Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Keine Chance.“ Er beugte sich vor und legte die Stirn an ihre. „Gib es zu, Rosemary, du liebst mich.“
Sie umfasste mit den Fingern seine Handgelenke, doch anstatt seine Hände zu lösen, nahm sie überrascht wahr, dass sich sein Puls beschleunigt hatte. Willis war nervös, vielleicht hatte er auch ein bisschen Angst vor ihr. Wie merkwürdig.
„Willis?“
„Ja?“
„Was macht dich so sicher, dass ich dich liebe?“
Er strich ihr langsam über das Haar und wickelte sich dann eine ihrer dunklen Locken um den Zeigefinger. „Ich habe es schriftlich.“
Das war ein Schock. Sie legte ihm schnell die Hände gegen die Brust und schob ihn von sich. „Wieso denn das? Ich kann mich nicht erinnern, irgendetwas in dem Sinne unterzeichnet zu haben.“
Er lächelte etwas nervös. „Nein? Dann komm mal mit, ich muss dir etwas zeigen.“
Vom Verstand her wusste sie, dass sie sich von ihm fernhalten sollte, wenn sie nicht wieder verletzt werden wollte. Aber ihr Herz gab ihr keine Wahl. Sie liebte Willis, auch wenn er ihre Gefühle nicht erwiderte. Sie wollte ihm nah sein, solange es möglich war.
In wenigen Tagen würde er wieder viele hundert Meilen von ihr entfernt sein, und sie würde ihn wahrscheinlich nie wiedersehen. Sie hatte keine Zeit zu verlieren, und sie musste den Augenblick nutzen. Ein Später gab es nicht.
„Ich komme.“ Ihre Stimme zitterte kaum hörbar.
Willis nahm sie bei der Hand und führte sie die Treppe hinauf. Doch anstatt die Bodenleiter emporzusteigen, zog er Rosemary zu seinem Schlafzimmer.
„Gehen wir nicht auf den Boden?“, fragte sie erstaunt.
„Nein, hier herein.“
Er drückte ihr kurz die Hand, öffnete die Tür und schob Rosemary in das Gästezimmer, das sie seit Willis’ Ankunft erst einmal betreten hatte, nämlich nur in der Nacht, in der sie sich geliebt hatten.
Der Raum, der ihr so vertraut war, war unverändert, mit einer Ausnahme. Auf dem Tisch lagen ihr Skizzenbuch und ein rotes Notizheft. Richtig, sie hatte immer verschiedenfarbige Notizhefte für die verschiedenen Fächer benutzt. Blau für Geschichte, Grün für Naturwissenschaften, Gelb für Mathematik und Weiß für Englisch.
Und Rot für ihr ganz persönliches Tagebuch.
Sie hatte das Gefühl, als würde ihr die Luft abgeschnürt. „Was tust du hier mit einem meiner Notizhefte?“ Sie ging schnell zu dem Tisch, nahm das Heft und presste es an die Brust. Dann drehte sie sich um und fixierte Willis, der aussah, als könne er kein Wässerchen trüben. „Willis, ich habe dich was gefragt.“
Er stieß sich von der Wand ab und kam langsam auf sie zu. „Ich habe es gelesen.“
„Was hast du getan?“
Er sah vollkommen entspannt aus. „Ich habe es gelesen“, wiederholte er.
„Obwohl ich es dir verboten hatte?“
„Tut mir leid, Rosemary, aber ich konnte einfach nicht anders. Erst dachte ich, es
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