JULIA COLLECTION Band 14
tief ausgeschnittenen elfenbeinfarbenen Schlauch vorliebnehmen, und der Kopfschmuck hätte ebenfalls besser in eine Las-Vegas-Show gepasst als in die Kirche einer Kleinstadt.
Ethan dagegen sah kühl und gelassen aus und schien sich in der Rolle des Bräutigams absolut wohlzufühlen. Sein schwarzer Smoking war schlicht und elegant, mit einer pinkfarbenen Rosenblüte am Revers. Er hatte auf die traditionelle Smokingschleife verzichtet und trug stattdessen ein kragenloses weißes Hemd, das am Hals mit einem einzelnen goldenen Knopf geschlossen war. Jedes Mal, wenn Angie zu ihm sah, musste sie ein Seufzen unterdrücken, weil sie ihn so sexy fand.
„Sie dürfen jetzt die Braut küssen.“
Die Ankündigung riss Angie aus ihren Gedanken. Den Kuss, der vor allen Leuten ihren Bund besiegeln sollte, hatte sie vollkommen vergessen. Ethan offenbar nicht. Denn noch ehe sie etwas sagen konnte, schloss er sie in die Arme und küsste sie mit der Hingabe und Kunst eines Mannes, der auf seine persönliche Art diesen Bund besiegelte. Er löste sich lange genug von ihr, dass sie Luft holen konnte, bevor er sie ein zweites Mal küsste. Diesmal noch leidenschaftlicher. Fröhliche Anfeuerungsrufe ertönten von der Seite des Bräutigams, während von Angies Seite lediglich verhaltener, unsicherer Applaus zu vernehmen war.
Als Ethan sie endlich losließ, wich Angie schwankend zurück, sodass sie fast über die Altarstufen gestolpert wäre. Ethan lachte, hielt sie fest und hob sie auf die Arme. Zu den Klängen der Orgelmusik trug er sie unter aufbrandendem Applaus den Mittelgang der Kirche hinunter.
Angie starrte ihn den ganzen Weg über benommen an. Jeder in der Stadt würde ihn nun als ihren Ehemann betrachten. Ihr Ehemann. Ein Gedanke ging ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf: Auf jede Hochzeit folgte die Hochzeitsnacht. Und um diese Farce perfekt zu machen, hatte Ethan für sie auch noch die Hochzeitssuite im „Admiralty Inn“ reserviert. Trotz seines Versprechens, dass er sie nicht mehr anrühren würde, wenn sie ihn nicht dazu aufforderte – was sie selbstverständlich nicht tun würde –, fragte sie sich allmählich, wie weit er dieses Spiel noch treiben wollte. Immerhin hatte er ein gemeinsames Hotelzimmer gemietet.
Noch wichtiger aber war die Frage: Wie weit würde sie in diesem Spiel gehen? Da sie seinem Heiratsantrag nachgegeben hatte, ganz zu schweigen von ihrer Reaktion auf seine Küsse, war sie sich nicht mehr sicher.
Wahrscheinlich hing das alles von Bob ab. Immerhin war dies das Wochenende, an dem der Komet der Erde am nächsten kam, womit das merkwürdige Verhalten der Einwohner von Endicott seinen Höhepunkt erreichen würde. Wenn Angie noch ein paar Tage durchhielt, würde Bobs Einfluss schwächer werden, und sie würde wieder sie selbst sein: die Frau, die Männer wie Ethan verachtenswert fand und keineswegs aufregend. Die kurze Zeit würde sie ihm sicher widerstehen können.
Als das Paar in den Vorraum der Kirche hinaustrat, ließ Ethan Angie herunter, ließ jedoch einen Arm auf ihrer Taille liegen. Er lächelte sie an, und ihr Herz pochte heftig.
Er sieht so glücklich aus, wunderte Angie sich. Er schien aufrichtig froh über das, was gerade stattgefunden hatte. Das gab Angie Rätsel auf. Die ganze Angelegenheit brachte sein Leben sicher ebenso sehr aus den Fugen wie ihres. Andererseits war ein normales Familienleben vermutlich die ideale Tarnung für seine wahren Aktivitäten.
Ehe Angie irgendetwas von diesen Gedanken zur Sprache bringen konnte, waren sie umzingelt von Gratulanten, und sie musste wieder die Braut spielen. Sie musste sich so glücklich geben, wie Ethan anscheinend wirklich war. Seltsamerweise fiel ihr das überhaupt nicht schwer.
Als sie endlich in der „Elks Lodge“ ankamen, wo der Hochzeitsempfang stattfand, tat Angie vom vielen Lächeln für die Fotografen das Gesicht weh. Wieder musste sie die glückliche Braut spielen, und wieder fiel es ihr überraschend leicht. Und als sie für einen Fotografen den Kuss nachstellen sollten, der ihren Bund besiegelte, ertappte Angie sich dabei, wie sie wirklich daran glaubte, dass dies der glücklichste Tag ihres Lebens sei.
Es war sicher der aufregendste Tag, wie sie zugeben musste. Beim Empfang musterte sie die Gäste, die Ethan eingeladen hatte, genauer, und schon erinnerte sie sich wieder daran, an wen sie sich da gebunden hatte, denn es waren verdächtig viele Männer mit undurchdringlicher Miene, pomadisierten Haaren und dunklen
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