JULIA COLLECTION Band 14
normalerweise nur in Büchern und Filmen fand. Wieder eine Pleite, davon war Rosemary überzeugt. Zum einen glaubte sie nicht an eine solche Art von Liebe, zum anderen hatte Kirby sich noch kein einziges Mal mit einem Jungen verabredet. Sie ging jeden Tag brav zur Schule und kümmerte sich ansonsten um ihre kranke Mutter.
Und Rosemary … Sie war immer noch sehr mit ihrem eigenen Wunsch zufrieden. Sie hatte sich gewünscht, dass das Streuselkuchengesicht Willis Random eines Tages das kriegen würde, was er verdiente. Und dafür bestand immerhin eine Möglichkeit. Auch wenn sie selbst diejenige wäre, die Gerechtigkeit üben müsste, irgendwie und irgendwann würde sie es Willis schon heimzahlen.
Rosemary lächelte böse, als sie zu dem Jungen hinübersah, der auf der anderen Seite der Turnhalle allein in einer Ecke stand. O ja, eines Tages würde Willis Random dafür büßen, dass er sie in der Highschool so schlecht behandelt hatte, das wusste sie genau.
Schließlich hatte sie Bob auf ihrer Seite.
1. KAPITEL
Willis Random hatte gehofft, dass Rosemary March das Älterwerden ganz und gar nicht bekommen würde. Zwar wusste er, dass sie erst dreißig war, aber er hatte sich gewünscht, dass ihm beim Wiedersehen eine grauhaarige und verbittert aussehende Frau mit hängenden Schultern und faltiger Haut gegenüberstehen würde. Sie war immerhin zwei Jahre älter als er. Doch als er sie jetzt sah, musste er sich leider eingestehen, dass das Älterwerden ihr ausgesprochen gut bekommen war.
Als er vorsichtig in die Küche blickte und Rosemary nach dreizehn Jahren zum ersten Mal wiedersah, blieb er wie erstarrt in der Tür stehen. Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und er brachte kein Wort heraus. Dabei hätte er sich schon aus Gründen der Höflichkeit bemerkbar machen müssen.
Sie hatte sich vorgebeugt, die Ellbogen auf der Küchentheke aufgestützt, und starrte auf die schwarzbraune Flüssigkeit, die langsam in die Glaskanne tropfte. Die Augen hielt sie halb geschlossen, so als sei sie noch nicht ganz wach. Auch das, was sie trägt, ist ein Zeichen dafür, dass sie gerade erst aus dem Bett gekommen ist, stellte Willis fest und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
Der Slip bedeckte knapp den wohlgerundeten Po, und das kurze T-Shirt ließ einen breiten Streifen leicht gebräunter Haut frei, wie man es sonst nur auf den Mittelseiten einschlägiger Magazine sah. Rosemary trug weiße Kniestrümpfe, deren einer ihr halb auf die Wade gerutscht war, während der andere sich um den Knöchel ringelte. Ihr lockiges kinnlanges dunkelbraunes Haar hatte offensichtlich an diesem Morgen noch keine Bürste gesehen.
So, wie sie da vor ihm stand, war sie der Traum jedes dreizehnjährigen Jungen. Das wusste keiner besser als Willis selber, denn als Dreizehnjähriger hatte er sich Rosemary March mehr als einmal in seinen Träumen vorgestellt. Aber er wusste, er war für sie nie mehr gewesen als ein Streuselkuchengesicht.
Irgendwie musste sie bemerkt haben, dass sie nicht allein war. Sie hob langsam den Kopf und blickte zur Tür, wandte sich dann aber wieder der Kaffeemaschine zu. Doch als hätte sie erst mit Verspätung begriffen, was sie da gesehen hatte, sah sie wieder zur Tür und richtete sich gleichzeitig schnell auf. Und auch Willis verstand erst jetzt, in welcher Situation sie sich beide befanden.
Er hatte ganz sicher nicht damit gerechnet, dass sich ihr erstes Wiedersehen seit der Highschool so abspielen würde. Sie stand vor ihm in ihrer Unterwäsche, während er normal angezogen war mit Shorts, blauem Polohemd und Wanderstiefeln. Willis konnte sich sehr gut vorstellen, dass es wohl kaum einer Frau gefallen würde, auf diese Art überrascht zu werden. Besonders nicht von jemandem, den sie mindestens zehn Jahre lang von ganzem Herzen verabscheut hatte.
Sein Verdacht wurde prompt bestätigt, als Rosemary sich plötzlich abwandte und einen markerschütternden Schrei ausstieß.Willis blieb unbeweglich stehen und sah sie ruhig an. Erst als sie schwieg und ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, lächelte er schüchtern.
„Oh, hallo.“ Er tat so, als fiele ihm weder auf, dass sie kaum etwas anhatte, noch dass sie auf sein Erscheinen mit Entsetzen reagierte. „Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst.“ Er streckte die Hand aus. „Ich bin Willis Random. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.“
Rosemary übersah die Hand.
Willis lächelte nervös und ließ den Arm sinken.
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