JULIA COLLECTION Band 15
geantwortet, Mack“, fuhr Tony hartnäckig fort. „Finden Sie nicht auch, dass Dr. Beth hübsch ist?“
Mack seufzte. „Ja, das ist sie.“
„Sie sollten sie einladen. Ich wette, sie nimmt an. Oder hat sie schon abgelehnt? Haben Sie vielleicht etwas gesagt, was sie geärgert hat?“
„Nein, mein Junge, ich habe es mir mit ihr nicht verdorben, aber sie ist sehr beschäftigt.“
„Das weiß ich, und darum sollte sie ausgehen, damit sie auf andere Gedanken kommt. Manchmal ist sie echt traurig.“
„Das ist mir auch aufgefallen.“ Schon seit Tagen fragte sich Mack, wie Beth das alles durchhielt. Auf dem Weg zu Tonys Zimmer war sie über Funk gerufen worden und war hastig zu einem anderen Patienten gelaufen. Er hoffte allerdings, sie würde nachkommen. „Wie geht es dir denn, Kumpel?“, erkundigte er sich, weil Tony sehr erschöpft wirkte.
„Ich bin müde“, gestand der Junge.
Für gewöhnlich gab Tony so etwas nicht zu. „Dann schlaf jetzt. Du willst doch ausgeruht sein, wenn dich deine Mom nach der Arbeit besucht, oder?“
„Aber Sie sind gerade erst hergekommen“, wandte Tony schwach ein. „Und Sie haben mir die coolen Comics mitgebracht.“
„Die werden noch hier sein, wenn du aufwachst, und ich werde auch da sein“, versprach Mack. „Mach die Augen zu, und schlaf ’ne Runde.“
Tony hatte Mühe, wach zu bleiben. „Könnten Sie sich zu mir setzen?“
„Klar“,erwiderte Mack und setzte sich auf die Bettkante. Tony griff nach seiner Hand. „Schon gut, schlaf jetzt. Ich bin hier.“
„Kann ich dir was sagen?“, fragte Tony matt. „Und du sagst es nicht Mom oder Dr. Beth?“
„Bestimmt nicht“, versprach Mack.
„Manchmal habe ich Angst, die Augen zu schließen“, flüsterte der Junge, „weil ich nicht weiß, ob ich wieder aufwachen werde.“
Mack hielt mit Mühe die Tränen zurück. „Jetzt brauchst du keine Angst zu haben“, versicherte er mit erstickter Stimme. „Wenn ich bei dir bin, wird dir nichts geschehen.“
Tony öffnete noch einmal kurz die Augen. „Doch, Mack. Sagst du dann meiner Mom, dass ich sie lieb habe?“
Mack nahm sich gewaltig zusammen. „Das weiß deine Mom“, erklärte er. „Aber ich sage es ihr.“
Tony seufzte und schlief endlich ein – ohne Macks Hand loszulassen.
6. KAPITEL
Der Notfall war endlich erledigt. Ein junger Patient war mit schweren Nebenwirkungen nach einer Chemotherapie eingeliefert worden. Beth hatte ihn stabilisiert, und jetzt lag er in einem Zimmer und schlief. Am liebsten wäre sie nach Hause gefahren, um sich eine Stunde in der Badewanne zu entspannen, danach ins Bett zu kriechen und einen Monat lang zu schlafen.
Stattdessen machte sie sich auf den Weg zu Tonys Zimmer. Als sie um die Ecke bog, entdeckte sie Mack auf dem Korridor. Mit hängenden Schultern und geschlossenen Augen lehnte er an der Wand und wirkte vollkommen erledigt.
„Alles in Ordnung?“, fragte sie.
Er öffnete die Augen und lächelte schwach. „Wie halten Sie das bloß tagtäglich aus?“
Sie warf einen Blick zu Tonys Zimmer. „War es schwierig?“
Mack nickte. „Könnte man sagen. Er hat mich gebeten, seiner Mom zu sagen, dass er sie lieb hat, sollte er im Schlaf sterben.“
„Oh nein“, flüsterte Beth. „Tut mir leid, Mack.“
„Nicht ich brauche Ihnen leidzutun, sondern Tony“, wehrte er ab. „Kein Kind sollte so etwas sagen müssen. Wie erträgt er das nur?“
Beth legte ihm die Hand auf den Arm. „Das Leben ist eben nicht immer so, wie es sein müsste. Wenn man sich damit nicht abfindet, wird man besser nicht Arzt.“
„Finden Sie sich denn damit ab?“, fragte er zweifelnd.
„Ich muss es. Leicht ist es nicht, aber was soll ich machen? Ich klammere mich an die Erfolge.“
„Ich beneide Sie nicht. Dagegen ist es geradezu harmlos, wenn man auf dem Football-Feld verprügelt wird.“
„Vielleicht sollte ich das bei Gelegenheit ausprobieren“, erwiderte sie und lächelte matt.
„Sie hätten bestimmt einige Tricks auf Lager, Doc.“ Er wurde wieder ernst. „Wissen Sie, was Tony auch vorhin beschäftigt hat? Ich soll Sie zum Ausgehen einladen.“ Mack schüttelte den Kopf. „Der Junge ist schwer krank, aber er will uns zusammenbringen.“
Beth lächelte trotz des Kummers, der sie bedrückte. „Sogar ein Kind wie Tony begreift, dass das Leben weitergeht.“ Sie betrachtete Macks angespannte Miene. „Ich breche jetzt einen Schwur und lade Sie ein.“
„Sie haben geschworen, mich nie einzuladen?“, fragte er
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