JULIA COLLECTION Band 17
Caroline?
1. KAPITEL
Guter Gott, sie war schwanger!
Abrupt blieb Deputy U.S. Marshal Rafe Stockwell im Eingang der Kanzlei von Carlyle & Carlyle in Grandview, Texas, stehen. Mit der linken Hand zerknautschte er die Krempe des perlgrauen Stetsons, den er gerade abgenommen hatte, während er seine Exfreundin, Miss Caroline Carlyle, Rechtsanwältin, anstarrte. Sie stand neben einem Stapel Kartons auf der anderen Seite des Empfangsbereichs und hakte auf einer Liste etwas ab.
Zum Glück hatte sie ihn noch nicht bemerkt, denn er brauchte ein wenig Zeit, um seinen Mund wieder zu schließen. Er traute seinen Augen nicht. Als sie sich vor drei Monaten und neunundzwanzig Tagen von ihm getrennt hatte, war sie schlank und chic gewesen.
Jetzt füllte sie ein Umstandskleid aus und trug flache schwarze Schuhe statt wie früher sexy Pumps. Und das blonde Haar war zu einer modischen Frisur gestylt, die ihr gerade bis zu den Schultern reichte. Sie stand ihr, aber er dachte voller Wehmut daran, wie gern er mit ihrem langen seidigen Haar gespielt hatte. Selbst schwanger war Caroline noch immer eine der schönsten Frauen, die er je gesehen hatte. Ihr Zustand ließ sie sanfter erscheinen, wärmer und zugänglicher. Ihr Anblick ging ihm ans Herz.
Er war kein Experte, überlegte jedoch, in welchem Monat sie war. Im fünften, sechsten, vielleicht sogar im siebten?
Sie schlug das oberste Blatt auf ihrem Klemmbrett um und seufzte. Dann rieb sie sich das Kreuz, schloss die Augen und ließ den Kopf kreisen. Sie sah erschöpft aus.
Der Wunsch, sie zu beschützen, regte sich in Rafe. Aber er wehrte sich dagegen. Das war jetzt die Pflicht eines anderen Mannes. Ihre Schwangerschaft hatte mit ihm nichts zu tun.
Oder etwa doch?
Er blinzelte. Fünf, sechs oder sieben Monate? Wenn er richtig lag, würde das bedeuten, dass das Baby …
Nein, unmöglich. Sie hätte es ihm gesagt, da war er ganz sicher. Trotzdem schlug sein Herz schneller. Er schloss die Augen und fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar.
Was, wenn das Baby von ihm war?
Er hatte stets auf Verhütung geachtet, aber die einzige absolut sichere Methode war Enthaltsamkeit, und die hatte er mit Caroline nun wirklich nicht praktiziert. Mit ihr zu schlafen war … Daran wollte er jetzt nicht denken. Er musste einen kühlen Kopf behalten.
Außerdem machte es keinen Sinn, voreilige Schlüsse zu ziehen.
Caroline hatte keine „Unfälle“. Ohne den passenden Ehemann würde sie niemals schwanger werden. Rafe hatte nicht mitbekommen, dass sie geheiratet hatte, aber er hatte viel gearbeitet.
Und da ihr Vater Alzheimer hatte, hatte sie sich vielleicht mit einer kleinen, stillen Hochzeit begnügt.
Und wenn sie Zwillinge bekam? Vielleicht kamen die in der Familie ihres Ehemanns ebenso häufig vor wie in seiner eigenen.
Was, wenn das Baby wirklich von ihm war?
„O nein“, murmelte er.
Beim Klang seiner Stimme zuckte Caroline zusammen. Sie fuhr herum, und ihre blauen Augen wurden groß. Einen Herzschlag später hatte sie sich im Griff. Sie straffte die Schultern, hob das Kinn und wurde wieder zu der selbstsicheren Miss Caroline Carlyle, die nichts lange aus der Fassung brachte.
„Rafe, was für eine nette Überraschung. Wir haben uns so lange nicht gesehen.“
Rafe musste lächeln. Man hörte ihr das exklusive Internat an der Ostküste noch immer an.
„Stimmt, Caroline.“ Er ging auf sie zu. Nach einem letzten Blick auf ihren Bauch sah er ihr ins Gesicht. „Ich schätze, ein Glückwunsch ist angebracht.“
Sie kam um einen Karton herum. Verdammt. Schwanger oder nicht, sie hatte noch immer die hinreißendsten Beine und den aufregendsten Gang von ganz Texas.
„Danke, Rafe.“ Sie streckte die Hand aus. „Was kann ich für dich tun?“
Rafe warf seinen lädierten Hut auf den Schreibtisch, ergriff ihre rechte Hand und hob die linke an. Ihre Finger fühlten sich in seinen klein und zerbrechlich an.
Sie trug einen schlichten goldenen Ehering.
Rafe schluckte und befahl sich, erleichtert zu sein. Er rieb mit dem Daumen über ihre Knöchel, räusperte sich und schaute ihr in die Augen. „Wer ist der Glückliche?“
Ihr Blick wurde verschlossen, aber im nächsten Moment lächelte sie. Verdammt, er war nicht für Ehe und Vaterschaft geschaffen. Warum war ihm die Vorstellung, dass sie einen anderen geheiratet hatte, dann so unerträglich?
„Es gibt keinen.“ Sie zog ihre Hand aus seiner.
„Soll das heißen, der Vater des Babys hat dich verlassen?“ Der Knoten in Rafes Magen
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