JULIA COLLECTION Band 17
Entschlossenheit. Zwar hatte er die klare Antwort, die er brauchte, noch nicht bekommen, aber bei Caroline war ein strategischer Rückzug manchmal wirksamer als ein Frontalangriff.
Er musste gehen, bevor er etwas sagte, das er später bereuen würde. Er entschied sich, eine günstigere Gelegenheit abzuwarten – in einer Woche, zum Beispiel, wenn er sein Temperament besser im Griff hatte.
„Okay. Es tut mir leid, Caroline.“ Er wich einen Schritt zurück. „Ich wollte dich nicht aufregen.“
Er drehte sich um. „Warte, Rafe. Warum bist du hergekommen?“
„Ist doch egal.“ Er nahm seinen Hut vom Schreibtisch und sah sie über die Schulter an. „Es lässt sich verschieben.“
„Falls es etwas Juristisches ist, würde ich es gern sofort erledigen.“ Sie strich mit der Hand über ihren Bauch. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch arbeiten werde.“
„Dann komme ich bald wieder.“ Ohne ein weiteres Wort verließ er die Kanzlei. Ihm war, als wäre seine Welt in tausend Stücke zerborsten. Und er fragte sich, wie er sie jemals wieder zusammenfügen konnte.
Caroline wartete, bis die Tür sich hinter Rafe geschlossen hatte und sie das leise Summen des Fahrstuhls hörte. Erst dann stieß sie den angehaltenen Atem aus und ging auf weichen Knien zum Stuhl der Sekretärin, um sich an der Lehne festzuhalten.
Nach einem Moment ließ sie sich daraufsinken und schlang die Arme um sich. Sie zitterte am ganzen Körper und hoffte inständig, dass Rafe es nicht bemerkt hatte.
„O nein“, flüsterte sie. Am liebsten wäre sie ihm nachgerannt und hätte die Arme um ihn geschlungen, um seine Wärme zu spüren.
Aber es konnte für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben. Wenn ein Mann seine Freiheit brauchte, dann Rafe Stockwell. Seit Monaten war sie ihm, seiner Familie und allen, die sie und ihn kannten, aus dem Weg gegangen. Warum um alles in der Welt war er heute in die Kanzlei gekommen? Sosehr sie auch wünschte, dass er sie vermisste und einen neuen Versuch machen wollte, es musste einen anderen Grund geben. Aber welchen?
Stöhnend massierte Caroline ihre Schläfen. Als würde es ihre Verzweiflung spüren, regte sich das Baby, und sie legte eine Hand auf den winzigen Fuß, der gegen die Bauchdecke drückte.
„Schon gut, Kleine“, sagte sie. „Irgendwie stehen wir das durch.“
Einen verrückten Moment lang dachte sie daran, nach Hause zu fahren, ihre Koffer zu packen und einfach zu verschwinden. Sie könnte ihren Namen ändern und irgendwo ganz von vorn anfangen. Eine herrliche Vorstellung.
Aber auch eine unmögliche. In ihrem Zustand brauchte sie einen vertrauten Frauenarzt. Und auch wenn ihr Vater sie nicht mehr erkannte und rund um die Uhr betreut werden musste, konnte sie ihn nicht im Stich lassen. Außerdem hatte sie eine florierende Anwaltskanzlei und Mandanten, die sich auf ihre Hilfe verließen.
Doch vor allem konnte sie nicht vor Rafe davonlaufen. Als U.S. Marshal war es sein Beruf, flüchtige Straftäter einzufangen. Mit seiner Erfahrung und den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, fand er früher oder später jeden. Ganz abgesehen davon wollte der Teil von ihr, der Rafe noch immer liebte, sich nicht vor ihm verstecken.
Er war nicht nur groß, dunkelhaarig, attraktiv und wohlhabend, er war auch intelligent und konnte faszinierende Geschichten erzählen. Manchmal war er charmant und lustig, manchmal ernst und verschlossen.
Aber immer war er leidenschaftlich und so männlich, dass sie sich ihrer Weiblichkeit auf erregende Weise bewusst war. Er war ein zärtlicher und einfühlsamer Liebhaber. Und hinter der rauen Fassade verbarg sich eine Empfindsamkeit, von der die meisten Menschen nichts wussten.
Sie liebte nahezu alles an ihm. Auf den ersten Blick schien er der ideale Partner für sie zu sein. Leider hatte er zwei Fehler, die sie nicht akzeptieren konnte.
Erstens liebte er sie nicht. Und zweitens, selbst wenn er es täte, würde sein Beruf für ihn immer an erster Stelle stehen. Das hatte sie erst begriffen, als sie schon schwanger war. Rafe war ein ehrenwerter Mann, und wüsste er, dass er der Vater des Babys war, würde er darauf bestehen, sie zu heiraten. Aber sie hatte schon eine Beziehung erlebt, die nicht auf Liebe, sondern Verpflichtung beruhte – die zu ihrem Vater. Daher hatte sie sich immer geschworen, dass sie selbst nur einen Mann heiraten würde, der sie liebte und dem seine Familie mehr bedeutete als alles andere.
Ihr Kind sollte einen liebevollen, fürsorglichen Vater
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