JULIA COLLECTION Band 17
geschickt haben.“
„Etwa nicht, damit du auf eine gute Schule gehst?“
„Ich war sechs, als sie mich fortschickten. Ich konnte nicht zu Hause bleiben, weil meine Mutter dauernd betrunken war.“
„Unmöglich“, widersprach er. „Ich habe sie als ungemein elegante Lady in Erinnerung.“
„In der Öffentlichkeit hat sie es geschickt verborgen. Aber zu Hause war sie nur … Alkoholikerin.“
„Aber warum?“, fragte Rafe entsetzt.
„Warum wird man süchtig? Sie war einsam. Mein Dad liebte seinen Beruf mehr als sie oder mich, und sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte. Sie trank, um den Schmerz zu vergessen, und es wirkte. Das einzige Problem war, sie hat auch mich dabei vergessen.“ Sie sah ihm ins Gesicht. „Früher habe ich die Stockwells immer beneidet.“
Rafe musste lachen. „Guter Gott, warum? Caine hat uns verprügelt und erniedrigt, und wie es jetzt aussieht, hat unsere Mutter uns verlassen, um mit ihrem Liebhaber zu leben. Tolle Familie.“
„Aber du warst nicht allein, Rafe. Du hattest immer noch Cord, Jack und Kate.“
„Das ist dein Ernst, nicht wahr?“
„Natürlich.“ Sie musterte ihn einen Moment lang und kniff die Augen zusammen. „Aber spar dir dein Mitleid für jemanden, der es nötig hat. Ich habe gelernt, selbst auf mich aufzupassen, und werde das auch für mein Baby tun.“
Erst jetzt begriff er, wie sehr er sich in ihr getäuscht hatte. Sie war nicht von Natur aus unabhängig, sie war gezwungen worden, so zu werden und sich auf niemanden außer sich selbst zu verlassen. Verdammt, Caroline war so sehr daran gewöhnt, im Stich gelassen zu werden, dass sie keinem Menschen und keiner Beziehung mehr traute. Und jetzt wusste er auch, warum sie ihn von sich zu schieben versuchte. Es war für sie sicherer, den anderen zurückzuweisen, als zu riskieren, dass sie zurückgewiesen wurde.
Nun ja, damit würde er sich ab sofort nicht mehr abfinden. Ob sie es nun zugab oder nicht, Caroline brauchte ihn. Das Baby brauchte ihn auch, und er würde für sie beide da sein. Caroline würde sich eben verdammt noch mal an den Gedanken gewöhnen müssen.
7. KAPITEL
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen betrat Rafe Cords Büro und erwischte seinen Bruder dabei, wie er mit seiner Tochter spielte. Gestützt von Cords großen Händen saß Becky mitten auf dem großen Schreibtisch und krähte vergnügt, während er das Gesicht verzog, wie ein Motor aufheulte und sie mit der Stirn am Bauch kitzelte. Sie packte sein Haar und sabberte auf die Schreibunterlage, seine Ärmel und den Nacken, aber es schien ihn nicht zu stören.
Im Gegenteil, Cord schien sich köstlich zu amüsieren. Rafe war froh, seinen Bruder so unbeschwert zu sehen. Dann würde er sich wenigstens darüber lustig machen können, wenn Rafe sich bei seinem eigenen Baby auch so benahm.
„He, was machst du da mit meiner Lieblingsnichte?“ Rafe nahm Becky aus Cords Händen und legte sie sich in die Armbeuge.
„Verdammt, Rafe. Gib sie wieder her“, verlangte Cord.
Rafe trug sie zum Fenster und kraulte sie unter dem Kinn. „Hallo, Süße“, sagte er lächelnd. „Erinnerst du dich an deinen Onkel Rafe? Den gut aussehenden Bruder deines Daddys?“
Becky strahlte ihn gurgelnd an. Er strich mit einem Finger über ihr seidenweiches Haar und sah fasziniert in die blauen Augen, die ihn voller Vertrauen ansahen.
O Mann, was war nur los mit ihm? Wenn seine Nichte schon so etwas in ihm auslöste, wie würde er sich dann bei seinem eigenen Kind fühlen?
Als seine Knie weich wurden, wandte er sich vom Fenster ab und schaute sich nach einer Sitzgelegenheit um. Erst jetzt bemerkte er Hannah. Sie saß auf einem Stuhl, musterte ihn aufmerksam, und ihre Augen schimmerten. Ein sanftes Lächeln umspielte ihren Mund, und ihm war, als wüsste sie genau, was in diesem Moment in ihm vorging.
„Hi, Rafe.“ Sie stand auf, ging zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Die andere Hand schmiegte sich um Beckys Wange, bevor sie den Kopf hob und ihn ansah. „Wie war der Kurs gestern Abend?“
„Ganz gut“, erwiderte er nach einem Moment. „Aber schwangere Frauen sind sehr empfindsam.“
„Wie geht es Caroline?“, fragte sie.
Rafe beschloss, ehrlich zu sein. „Ich weiß es nicht, Hannah. Körperlich ist sie okay, aber ich glaube, sie hat höllische Angst vor den Wehen.“
„Wie die meisten Frauen“, meinte Hannah. „Vor allem beim ersten Mal. Mach ihr Mut, dass sie es schafft. Sie muss es mit einer positiven Einstellung
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