JULIA COLLECTION Band 20
eine Menge zu tun, aber ich schätze, ich kann Sie noch kurz rumführen.“ Ihr kläglicher Versuch, verbindlich und höflich zu wirken, scheiterte leider.
Faylene schaute den Mann durchdringend an. „Magee? Das klingt doch irgendwie bekannt in meinem Ohr. Haben Sie nicht mal Basketball gespielt?“
Kell schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, das muss ein anderer Magee gewesen sein.“ Die Krankenschwester war bereits wieder hinaus auf den Flur gegangen, und Kell folgte ihr. Offensichtlich ging ihre Geduld langsam zu Ende, und er hatte vor, auch noch das letzte bisschen an Information aus ihr herauszupressen. Oder zumindest den Anblick ihres Pos zu genießen.
Neben der polierten Eichenholztreppe blieb sie stehen. „Woher kann Faylene Sie denn kennen?“
„Die Haushälterin?“ Seit wann trugen Haushälterinnen bei der Arbeit eigentlich so enge Shorts? „Keine Ahnung, ich habe einfach ein Durchschnittsgesicht. Sie würden staunen, wie oft mir die Leute auf die Schulter klopfen, weil sie glauben, sie würden mich von irgendwoher kennen.“
Daisy versuchte gar nicht erst, ihre Skepsis zu verbergen.
Fast hätte Kell gelacht. Er überlegte, ob er ihr von seiner kurzen Zeit als Berühmtheit erzählen sollte. Na ja, immerhin hatte er über fünf Spielzeiten hinweg erfolgreich gespielt. Aber das hätte nach Angeberei geklungen und diese Lady ohnehin nicht sonderlich beeindruckt. Womit würde man ihr denn imponieren können?
Daisy war fest entschlossen, diesen Mann schnell herumzuführen, um ihn dann wieder loszuwerden. Im ersten Stock öffnete sie eine Zimmertür nach der anderen und ließ den Mann kurz in jeden Raum schauen, bevor sie ihn weiterdrängte. Insgeheim hatte sie gehofft, der Fremde von der Beerdigung würde aus der Nähe weniger beeindruckend aussehen, doch jetzt weckte er Sehnsüchte in ihr, die seit Jahren friedlich geschlummert hatten.
„Mehr oder weniger sind all diese Räume möbliert“, teilte sie ihm sachlich mit. Die Hälfte der Zimmer hatten Faylene und sie bereits gesaugt, und die Möbel waren mit sauberen Laken abgedeckt. Am Ende des Flurs öffnete sie eine Tür und wollte sie sofort wieder schließen, doch der Mann, drängte sich an ihr vorbei. Daisy roch Leder, Rasierwasser und männliche Haut. Sofort wünschte sie sich, sie hätte sich Zeit genommen, um zu duschen und sich etwas Hübscheres anzuziehen.
Nein, das alles spielte doch keine Rolle!
In das kleine Zimmer fiel nur durch ein winziges Fenster Licht. „Hier gibt es nichts Interessantes zu entdecken. Wenn Sie also gestatten …“ Daisy schaltete die Deckenleuchte gar nicht erst ein.
Doch der Mann betrat das Zimmer. „Meine Mutter hatte auch so ein Ding in Oklahoma.“
Daisy fand, es klang, als brauchten die Magees und die Snows nur die gleichen Dinge zu besitzen, um zweifelsfrei miteinander verwandt zu sein.
Daisys Blick fiel auf die alte Nähmaschine. Zögernd folgte sie dem Mann in den Raum. Je eher seine Neugier befriedigt hatte, desto schneller würde er wieder verschwinden. „Ich glaube, die Mutter von Mr. Snow hat diesen Raum als Nähzimmer benutzt. Danach diente er als Lagerraum.“ Zählten Nähmaschinen zu persönlichen Gegenständen oder zu Möbelstücken? Sie würde Egbert fragen müssen. „Sind Sie so weit?“ Fast hätte sie ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden getippt.
„Was ist in diesen Kartons?“
Mist, die hatte Daisy ganz vergessen. „Wahrscheinlich Stoffe.“ Stoffe, die niemals genäht worden waren. In Gedanken sah Daisy neben der Nähmaschine einen Stapel mit Kleidungsstücken, die noch ausgebessert oder fertig genäht werden sollten. Auf einmal wurde ihr das alles zu viel.
Dabei konnte sie sich nicht einmal erinnern, dass Harvey seine Mutter jemals erwähnt hatte.
Schluckend wandte sie sich ab. Jetzt gab es kein Halten mehr. Daisy schluchzte laut los und spürte die Hände des Mannes an ihren Schultern.
„Daisy? Miss Hunter?“
Wie peinlich! „Gehen Sie bitte nach unten. Ich … ich will nur … ich …“
Sanft zog er sie in die Arme.
Daisy schüttelte den Kopf. Das wollte sie alles nicht. Sie wollte nicht weinen, und seinen Trost wollte sie auch nicht. Doch niemand konnte auf ewig seine Gefühle zurückhalten. „Das liegt alles nur an meiner Allergie“, brachte sie hervor, während Kell leise auf sie einredete.
Obwohl ihre Nase fast zu war, nahm Daisy wieder seinen unglaublich männlichen Duft wahr. Vielleicht lag es wirklich an einer Allergie, dass sie hier so zusammenbrach.
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