JULIA COLLECTION Band 20
kommt mir aber sehr bekannt vor. Habe ich das vielleicht schon mal auf einem Foto gesehen?“
Wie konnte er eigentlich einfach ignorieren, was in dem Nähzimmer passiert war? Daisy zitterte jetzt noch leicht vor … jedenfalls ist es keine Erregung, sagte sie sich. Es muss Verlegenheit sein. Sie zuckte mit den Schultern. „Davon sind bestimmt Tausende hergestellt worden. Vielleicht sind ein paar davon sogar in Oklahoma gelandet.“
Daisy grübelte darüber nach, was er an einer Frau attraktiv finden mochte. Stand er eher auf den ordentlichen und praktischen Typ? Oder lag ihm mehr an der sexy Frau, die ungehemmt und wild war? Eines war ihr jedoch klar: Kein Mann fühlte sich zu schlampig aussehenden, hysterisch heulenden Frauen hingezogen, die beim Anblick einer alten Nähmaschine die Fassung verloren.
Während Kell den Schaukelstuhl begutachtete und die dunklen Ecken des Dachbodens durchstöberte, zog Daisy sich innerlich zurück, indem sie über ihre Zukunftspläne nachdachte. In ein paar Minuten, höchstens einer halben Stunde, würde dieser Mann wieder verschwunden sein.
Sie versuchte, ihn nicht dabei zu beobachten, wie er umherlief, Gegenstände berührte und alte Autokennzeichen musterte, die jemand an die Dachbalken genagelt hatte. Sogar seine Art zu gehen ließ Daisys Herz schneller schlagen. Immer wieder blickte sie verstohlen zu seinen langen Beinen und diesem runden festen Po.
Schluss jetzt! Sie sollte lieber an den verlässlichen und bescheidenen Egbert denken. Daisy malte sich aus, wie er nervös lächelnd am Altar stehen würde, wenn sie mit einem Bouquet in den Händen auf ihn zukommen würde. Es würde nur eine kleine Hochzeit werden, das hatte Daisy bereits entschieden, aber auf jeden Fall wollte sie kirchlich heiraten. In festlichem Rahmen, aber nicht übertrieben förmlich. Das Haar würde sie etwas kürzer tragen, aber nicht zu kurz.
Doch sosehr Daisy ihre Fantasie auch bemühte, immer wieder trug der Mann vor dem Altar Jeans, Lederjacke und Cowboystiefel. Diesen Mann hatte sie vor wenigen Stunden zum ersten Mal gesehen, er hatte ein jungenhaftes Lächeln und strahlende Augen, und wenn Daisy ihn vor dem Altar sah, konnte sie an nichts anderes denken als an …
Das alles war zu viel Stress für einen Tag. Sie musste ihren Verstand verloren haben.
Schuldbewusst riss sie sich aus ihren Gedanken und blickte zu dem kaputten Schaukelstuhl. „Es tut mir wirklich leid, Mr. Magee. Anscheinend nimmt mich das alles mehr mit, als ich gedacht hätte. Normalerweise halte ich meine Gefühle immer aus meinem Beruf heraus, aber Mr. Snow hatte sonst niemanden auf der Welt, und mir widerstrebt der Gedanke, dass Fremde jetzt all seine Sachen durchwühlen. Dafür hatte er einfach zu viel Würde.“
Kell erwiderte nichts, sondern blickte Daisy nur aus seinen strahlend blauen Augen an.
Hilflos hob sie die Hände. „Ich mochte diesen Mann. Er war nicht nur mein Patient, sondern auch mein Freund. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht, dann …“
„… verschwinden Sie bitte von hier, damit wir fertig werden können. Das meinten Sie doch, stimmt’s?“
Hastig wandte sie sich ab und blinzelte. Oh, verdammt, nicht schon wieder!
Unter einem Buntglasfenster in der anderen Ecke des Dachbodens stand eine große Truhe. Die muss ich auch noch durchsehen, dachte Daisy betrübt. Oder ich schleppe sie hinunter zum Fluss und kippe sie ungeöffnet ins Wasser.
„Daisy?“
„Was denn?“ Sie wandte sich nicht zu ihm um. Jetzt verlor sie gegenüber diesem Mann schon zum zweiten Mal die Fassung!
„Hier oben ist es kalt, und Sie haben nur wenig an. Gehen wir lieber wieder nach unten. Vielleicht kann diese – ich habe den Namen vergessen – einen Kaffee kochen. Einverstanden?“
„Faylene.“ Dankbar griff Daisy alles auf, was diese Tour abkürzte. „Sie heißt Faylene Beasley. Drei Tage in der Woche hat sie für Mr. Snow gearbeitet, und an den anderen beiden für meine besten Freundinnen. Aber ich weiß gar nicht, wieso ich Ihnen das alles erzähle. Sonst bin ich nie so geschwätzig.“
Er nickte nur ernsthaft und ging voraus. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass sie jederzeit wieder die Nerven verlieren und zusammenbrechen konnte. Falls sie stürzte und sich ein Bein brach, würde er sie vielleicht auf die Arme nehmen, mit ihr auf sein weißes Pferd steigen und sie in wildem Galopp in die nächste Notaufnahme bringen. Energisch riss Daisy sich aus ihren Tagträumen.
„Meine Großmutter hat vielleicht in genau
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