JULIA COLLECTION Band 20
besessen, und seine Mom hatte niemals klein beigegeben. Als Kind hatte Kell diese Auseinandersetzungen gehasst, und es war ihm peinlich gewesen, dass man die beiden über die ganze Wohnwagensiedlung hinweg hatte streiten hören können. Doch jetzt fiel ihm auch wieder ein, wie die beiden sich nach einem Streit angesehen hatten. Dann hatten sie laut losgelacht, und Kell war nach draußen zum Spielen geschickt worden. Noch bevor er zur Tür hinaus war, waren die beiden im Schlafzimmer verschwunden.
Mit Daisy hatte er auch gelacht. Der Sex war dadurch noch erfüllender geworden. Jetzt war wirklich ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um abzureisen, doch sie brauchten tatsächlich beide etwas Zeit zum Nachdenken.
Das alles war so schnell gegangen.
Rasch suchte er seine Kleidung zusammen und verließ das Zimmer. Schloss sie die Tür, oder ließ sie sie einen Spalt offen? Es gab so vieles, was Kell nicht von ihr wusste, doch eines wusste er ganz genau. Sie beide waren noch nicht fertig miteinander. In spätestens vier Tagen würde er wieder hier sein, und dann konnten sie genau ergründen, was sich zwischen ihnen abspielte. Im Moment wusste Kell nur eines ganz genau: So etwas wie mit Daisy hatte er noch nie erlebt.
Zum dritten Mal las Daisy jetzt den Zettel, den sie unter dem Salzstreuer auf dem Küchentisch gefunden hatte. Verdammt!
Daisy, ich muss mich zu Hause um ein paar Dinge kümmern. Wir sehen uns in ein paar Tagen.
K.M.
Und das soll ich dir glauben!, dachte sie wütend. Keine Sekunde rechnete sie damit, dass er zurückkehren würde. Dann hätte er sie vor der Abreise doch geweckt und sich nicht wie ein Dieb aus dem Haus geschlichen. Er war genau wie Jerry. Holte sich, was er wollte, und wenn es ihm nicht gefiel, warf er es einfach weg.
Erneut las sie die Notiz. Nicht mal eine liebevolle Anrede, nur ein schlichtes „Daisy“.
„Wir werden uns ganz bestimmt nicht sehen“, sagte sie zu sich selbst, zerknüllte den Zettel und stopfte ihn in die Tasche.
„Er ist also verschwunden, ja?“ Faylene stand an der Tür, stemmte die Hände in die Hüften und blickte Daisy wütend an. „Geschieht dir recht nach dem, was ihr euch da für mich ausgedacht hattet.“
„Was wir uns …?“ Ach, richtig, das Box Supper. Das war ja erst gestern. Daisy blinzelte hektisch, um die Tränen zurückzuhalten.
„Wenn ich mit einem Mann essen möchte, der sich nicht mal die Nasenhaare schneidet, dann hätte ich das auch ohne eure Hilfe tun können.“ Sie zog eine alte Pfanne aus dem Ofen und knallte sie auf den Herd. „Ich dachte, ihr drei wolltet mich mit dem neuen Trainer von der Highschool zusammenbringen.“
„Faylene, es tut mir leid. Du weißt doch genau, dass wir niemandem etwas Böses wollen. Wir dachten einfach nur, es wäre nett, wenn …“
„Ich habe aber auch Gefühle, weißt du? Vielleicht bin ich nicht so klug wie du oder Miss Marty und auch nicht so hübsch wie Miss Sasha, aber das bedeutet nicht, dass ich keinen Freund finden kann. Ich habe nämlich einen. So“, fügte sie triumphierend hinzu. „Ich lasse ihn nur nicht zu mir ziehen, weil ich bei mir nicht genug Platz für all seine Waffen habe.“ Mit einem Finger kratzte sie sich am Kopf und schuf damit eine Lücke in ihrer fest gesprayten Frisur. „Wann wird nun der Strom abgeschaltet? Heute oder morgen?“
Für einen Moment vergaß Daisy ihre eigenen Probleme. „Für seine Waffen?“
„Oh, keine Angst. Bob Ed ist kein Bankräuber oder so. Er ist nur zufällig der beste Wachmann der ganzen Gegend. Außerdem kann er fantastisch kochen, ist also nicht auf mich angewiesen, um etwas Warmes in den Magen zu kriegen.“ Sie wollte noch etwas sagen, doch dann schüttelte sie nur den Kopf. „Mir ist aufgefallen, dass bei euch drei Ladies keine Männer vor der Tür Schlange stehen. Der Baseballspieler ist an mir vorbeigefahren. Wie ein geölter Blitz, und er hat nicht mal gehupt, als er mir entgegenkam.“
Mir hat er auch kein Abschiedssignal gegeben, dachte Daisy bedrückt, als sie ein paar Stunden später den letzten Karton für den Gebrauchtwarenhändler zuklebte. Sasha und Marty hatten ihr ihren Wagen gebracht, waren aber sofort wieder gefahren, als Daisy ihnen klargemacht hatte, dass sie viel zu beschäftigt war, um zu plaudern.
„Aber, Süße, hör dir doch erst mal an, wen wir uns für Gus ausgesucht haben. Wusstest du, dass er Geige spielt?“
„Jetzt nicht, bitte“, hatte Daisy eindringlich gebeten.
„Okay, dann sehe ich dich morgen.“
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