JULIA COLLECTION Band 20
Tischler, dachte sie. Mein Leibwächter, Hundetrainer und Problemlöser.
„Oh“, stieß sie atemlos aus. Als er schließlich den Kopf hob und ihr ins Gesicht sah, bekam Marty kein Wort mehr heraus. Sie hatte nicht einmal genug Luft, um irgendeinen Laut von sich zu geben.
„Das hätten wir geklärt.“
Sie bekam mit, dass seine Stimme leicht unsicher klang.
„Willst du mich nun feuern? Wenn ja, dann könnte ich das verstehen.“
Entschieden schüttelte sie den Kopf. Ihn feuern? Niemals. Jetzt war alles zwischen ihnen zwar noch viel komplizierter, aber wenn er sie jetzt verließ, würde sie ihm wahrscheinlich nachlaufen und ihn anflehen, zu ihr zurückzukommen.
„Was hätten wir geklärt?“, fragte sie.
„Willst du etwa behaupten, du hättest dich nicht gefragt, wie es wäre, wenn wir uns küssen?“
Lügen war noch nie Martys Stärke gewesen, also schwieg sie lieber.
7. KAPITEL
Als sie das Haus betraten, schwirrten Marty die Gedanken nur so im Kopf herum. Noch kein Mann hatte sie dermaßen aus dem Gleichgewicht gebracht wie Cole.
Jedenfalls nicht mehr, seit sie mit fünfzehn den schlimmsten Jungen der ganzen Schule angehimmelt hatte, der mit sechzehn bereits mehr Schimpfwörter kannte als jeder andere.
„Du … du kannst ja schon … schon mal mit den Bücherregalen anfangen“, brachte sie heraus, zog sich die Mütze vom Kopf und massierte ihre Kopfhaut, als könne sie dadurch die Durchblutung ihres Gehirns anregen. „Ich muss … ich muss …“
Cole nickte nur und lächelte, als wisse er genau, was Marty sagen wollte. Falls er durch den Kuss genauso verwirrt war wie sie, dann ließ er sich das jedoch nicht anmerken. „Ich muss noch zum Eisenwarenladen. Das dauert zwar höchstens eine halbe Stunde, aber ich möchte trotzdem, dass du hinter mir abschließt. Öffne niemandem, bis ich zurück bin, es sei denn, du kennst diese Person seit mindestens fünf Jahren.“
„Dich eingeschlossen?“Anscheinend fing ihr Verstand wieder an zu arbeiten. „Leidest du jetzt nicht ein bisschen an Verfolgungswahn?“
Durch das Fenster drang ein Sonnenstrahl herein und ließ Coles Augen hell aufleuchten. Marty fiel auf, dass sein Haar heute nicht so zerzaust aussah. Entweder war er beim Friseur gewesen, oder sie gewöhnte sich an seinen lässigen Look.
„Verfolgungswahn? Hoffentlich. Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn wir es übertreiben.“
„Aber falls die Mafia von Muddy Landing es auf irgendwelche seltenen Erstausgaben unter meinen Taschenbüchern abgesehen hat, dann bin ich auf alles vorbereitet. Beim ersten Anzeichen eines Angriffs werde ich das FBI alarmieren.“
Cole unterdrückte ein Lächeln und sagte vollkommen ernsthaft: „Sprich mir nach: Ich werde die Tür abschließen. Ich werde keinen Fremden hereinlassen, bis Cole wieder zurück ist.“
Für Dramatik hatte Marty schon immer der Sinn gefehlt. Entnervt hob sie die Hände. „Also gut. Was ist eigentlich aus meinem ruhigen, langweiligen Leben geworden?“ Sie hob einen Finger. „Eines Morgens wache ich auf und werde von irgendeinem Kerl im Wagen verfolgt.“ Sie hob den zweiten. „Mein Haus wird halb zertrümmert.“ Sie hob den dritten Finger. „Mir wird befohlen, die Tür zu verschließen, falls der böse Junge einzubrechen versucht.“
„Reg dich nicht auf.“ Cole umschloss ihre Hände mit seinen. „So schlimm ist das doch alles nicht. Wir Jungs aus der Großstadt sind vielleicht ein bisschen misstrauischer, also sieh es mir nach, ja?“
Sie nickte und traute sich nicht, irgendetwas zu erwidern, weil sie sich ihm sonst in die Arme geworfen und ihn angefleht hätte, sie nicht allein zu lassen. Immer noch hielt er ihre Hände fest, als habe er schlichtweg vergessen, sie wieder loszulassen, deshalb löste Marty sich jetzt aus seinem Griff. Sie zog sich lieber zurück, solange sie noch konnte. Ein Kuss von diesem Mann reichte aus, und sie hatte den Eindruck, ihr ereignisloses Leben würde sich in etwas verwandeln, das in die Kategorie Romanze mit Krimitouch fiel.
Sein flüchtiger Kuss landete seitlich auf ihrer Nase.
Einen Moment später sah Marty seinem Pick-up nach und ging dann in die Küche, um den Kühlschrankinhalt zu begutachten. Magermilch, vier Eier, Salat, der nicht mehr ganz knackig aussah, drei gummiartige Möhren und ein paar Streifen Speck.
Anstatt die Anordnung ihrer Regale zu planen, erstellte Marty zunächst einmal eine Einkaufsliste, wobei sie auch an Coles Appetit dachte. Sie selbst konnte vielleicht von
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