Julia Collection Band 21
ganze Weile daran gedacht, es zu erwähnen …“ Paul zögerte, was ungewöhnlich war. „Aber ich wartete darauf, dass du das Thema zuerst ansprichst. Es sind jetzt fast vier Jahre. Wird es nicht langsam Zeit, deine Zweckehe aufzulösen?“
Vor Schreck nahm Roel den Fuß von der Kupplung, genau in dem Moment, in dem der Verkehr wieder zu fließen begann. Der Ferrari machte einen Satz, dann setzte der Motor aus, was ein ungeduldiges Hupkonzert der nachfolgenden Wagen auslöste. Obwohl das Roels männlichen Stolz traf, verkniff er sich die Flüche, die ihm auf der Zunge lagen.
Aus den Lautsprechern des Wagens war Pauls Stimme noch immer zu hören. In glücklicher Unkenntnis der Wirkung, die seine Worte gehabt hatten, hatte Paul weitergesprochen. „Ich hatte gehofft, wir könnten irgendwann diese Woche einen Termin vereinbaren, denn ich bin ab nächsten Montag im Urlaub.“
„Diese Woche schaffe ich es unmöglich“, erwiderte Roel sofort.
„Hoffentlich habe ich meine Kompetenz nicht überschritten, indem ich das Thema ansprach“, meinte Paul ein wenig unbehaglich.
„ Dio mio! Ich hatte diese Sache schon vergessen. Du hast mich überrumpelt!“, tat Roel es lachend ab.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt möglich ist“, bemerkte Paul.
„Ich muss dich zurückrufen … der Verkehr ist unglaublich.“ Roel beendete das Gespräch ohne das übliche Geplauder.
Ein strenger Zug lag um seinen hübschen Mund. Es war richtig von Paul gewesen, die Ehe zur Sprache zu bringen, die Roel vor fast vier Jahren hatte eingehen müssen. Wie hatte er die Notwendigkeit verdrängen können, diese dürftige Verbindung durch eine Scheidung wieder zu lösen? Er entschuldigte es damit, dass er ein viel beschäftigter Mann war, und dachte an die lächerliche Situation, die ihn dazu gebracht hatte, die Bedingungen des Testaments seines verstorbenen Großvaters durch eine Scheinehe zu umgehen.
Sein Großvater Clemente war bis in seine Sechzigerjahre hinein ein Workaholic gewesen und in jeder Hinsicht aus dem Holz der Sabatinos geschnitzt. Doch nach seinem Rückzug aus dem Berufsleben verliebte er sich in eine Frau, die halb so alt war wie er, und änderte seine Lebenseinstellung völlig. Er legte jede Hemmung ab, übernahm New-Age-Philosophien und heiratete sogar die jugendliche Goldgräberin, die nur aufs Geld aus war. Sein würdeloses Verhalten führte zur jahrelangen Entfremdung von seinem Sohn, Roels konservativem Vater. Roel mochte den alten Mann trotzdem und hielt weiterhin Kontakt zu ihm.
Vor vier Jahren war Clemente gestorben, und Roel war fassungslos gewesen, als ihm die Bedingungen im Testament seines Großvaters dargelegt worden waren. In diesem höchst ausgefallenen Dokument hatte sein Großvater verfügt, dass Castello Sabatino, der Stammsitz der Familie, an den Staat fallen sollte statt an sein eigen Fleisch und Blut, falls sein Enkel nicht innerhalb einer gewissen Frist heiratete. Roel hatte es sehr bedauert, seinem Großvater einmal anvertraut zu haben, er habe nicht die Absicht, zu heiraten und einen Erben zu zeugen, ehe er nicht mindestens mittleren Alters sei.
Obwohl Roel dazu erzogen worden war, jede Art von Sentimentalität zu verachten, hatte er liebevolle, glückliche Erinnerungen an seine Besuche auf Castello Sabatino in der Kindheit. Zwar war er inzwischen reich genug, um sich hundert Schlösser zu kaufen, doch hatte er auf schmerzliche Weise gelernt, dass das Castello einen besonderen Platz in seinem Herzen hatte. Die Sabatinos hatten das Schloss, das hoch über einem entlegenen Tal stand, seit Jahrhunderten bewohnt, und Roel war von der echten Bedrohung, es könnte aus dem Familienbesitz womöglich für immer herausfallen, geschockt gewesen.
Einige Monate später, während er sich geschäftlich in London aufhielt, hatte er mit Paul am Handy die beinah unüberwindbaren Probleme diskutiert, vor die ihn das Testament seines Großvaters stellte. Obwohl er zu dem Zeitpunkt an einem öffentlichen Ort gewesen war – genau genommen wollte er sich die Haare schneiden lassen –, hatte er angenommen, die Unterhaltung sei so privat wie in seinem Büro, da sie in Italien stattfand. Dass das ein Irrtum war, merkte er daran, dass sich die kleine Friseurin plötzlich in das Gespräch einschaltete, indem sie ihm erst ihr Mitgefühl für das „höchst seltsame Testament“ seines Großvaters aussprach und sich dann selbst als „Scheinfrau“ für die Ehe anbot, damit er Castello Sabatino in der Familie
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