Julia Collection Band 21
Griff nicht lösen wollten, wurde er ins Krankenhaus gebracht. Die Schwester seines verstorbenen Vaters, Bautista, wurde in die Notaufnahme gerufen. Mit Verachtung beobachtete sie, wie zwei junge Krankenschwestern mit sehnsüchtigen, ehrfürchtigen Blicken auf das außergewöhnlich gute Aussehen Roels reagierten.
Bautista, eine verwöhnte, herrschsüchtige Brünette mit einem Kleidergeschmack, den weniger nachsichtige Menschen wohl unpassend für eine Frau von sechzig genannt hätten, war wütend über diese Unterbrechung ihres Tagesablaufs. Roel würde wieder gesund werden! Er war unverwüstlich, so wie alle Sabatino-Männer. Abgesehen von dem Schlag auf den Kopf waren die anderen Verletzungen geringfügig. Bautista sollte am nächsten Tag nach Mailand fliegen, um zusammen mit ihrem Verlobten Dieter eine Galerieeröffnung zu besuchen, und sie war entschlossen, ihre Pläne nicht zu ändern.
Erst vor zehn Tagen hatte Roel sie mit der Information geärgert, dass der gut aussehende junge Bildhauer, den sie heiraten wollte, es schon öfter auf ältere, wohlhabende Damen abgesehen gehabt hatte. Wie schrecklich beleidigend Roel gewesen war! Wieso sollte Dieter sie nicht um ihrer selbst willen wollen? Bautista hielt sich immer noch für eine bemerkenswert attraktive Frau mit einem einnehmenden Wesen. Vier erschreckend teure Scheidungen hatten ihrem Glauben an Liebe und die Ehe nichts anhaben können.
Ein Arzt erklärte ihr nach einer Weile, dass Roel zwar wach sei, jedoch an einer Art vorübergehender Amnesie leide.
„Ist Mr. Sabatinos Frau auf dem Weg hierher?“, wurde Bautista gefragt.
„Er ist nicht verheiratet.“
Überrascht hielt der Arzt ihr ein zerknülltes Foto hin. „Und wer ist das dann?“
Verblüfft betrachtete sie das Foto und die aufschlussreiche Beschriftung. Roel hatte eine Engländerin geheiratet? Grundgütiger, wie diskret er gewesen war! Aber war er nicht bekannt für seine kühle Zurückhaltung? Seine extreme Abneigung gegen jede öffentliche Aufmerksamkeit? Seine Ehe würde genau die geschmacklosen, aufdringlichen Schlagzeilen machen, die er befürchtete. Aber wann hatte er seine Verwandtschaft darüber aufklären wollen, dass er verheiratet war? Froh, dass die Existenz einer Ehefrau sie von weiterer Verantwortung für ihren Neffen während seines Krankenhausaufenthaltes entband, machte sie sich rasch daran, diese Frau anzurufen.
Als Hillary ihre winzige Wohnung betrat und das besorgte Gesicht ihrer Schwester Emma sah, lief ihr ein kalter Schauder über den Rücken.
„Was ist passiert?“, wollte sie wissen und ließ die Abendzeitung sinken, die sie gerade gekauft hatte.
„Eine Frau rief an, während du weg warst … setz dich lieber, bevor ich dir ihre Nachricht übermittle.“ Emma war eine große, schlanke Blonde mit einem ruhigen Ausdruck in den grauen Augen, der für ein Mädchen von siebzehn Jahren ein ungewöhnliches Maß an Reife verriet.
Hillary runzelte die Stirn. „Mach keinen Quatsch. Du bist hier, du bist heil und die Einzige aus der Familie, die ich noch habe. Wer hat angerufen … und mit welcher Nachricht?“
„Ich bin nicht die Einzige aus deiner Familie“, erwiderte ihre Schwester leicht angespannt. „Roel Sabatino hatte einen Autounfall.“
Hillary blickte Emma starr an und wurde blass. Ihre Knie drohten nachzugeben. „Er …“
„Lebt … ja!“ Emma legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie zu dem kleinen Sofa in der Küche, das zugleich Sitz- und Essecke war. „Roels Tante rief an. Sie sprach nur sehr wenig Englisch, und der Anruf dauerte auch nur zwei Minuten …“
„Wie schwer ist er verletzt?“ Hillary zitterte und fühlte sich elend.
„Er hat eine Kopfverletzung. Ich habe den Eindruck, es könnte ernst sein. Er wird in ein anderes Krankenhaus verlegt, und ich habe veranlasst, nähere Einzelheiten zu erfahren.“ Emma drückte ihrer Schwester die Hand. „Atme tief durch, Hilly. Denk daran, dass Roel lebt. Du hast einen Schock, aber morgen früh kannst du bei ihm sein.“
Hillary ließ benommen den Kopf hängen und war in ihre eigene Welt versunken. Roel, die geheime Liebe ihres Lebens – auch wenn sie für ihn bloß ein Mittel zum Zweck gewesen war. Es war seltsam und beängstigend, wie einem die Liebe begegnen konnte. Roel, der Mann, den sie wollte und der sie nicht einmal geküsst hatte. Roel, so groß und stark, der vermutlich in diesem Augenblick in einem Krankenhausbett um sein Leben kämpfte. Sie betete, dass er sich wieder
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