Julia Collection Band 21
hätte sie endlich das fehlende Teil eines Puzzles gefunden. Aber anders als bei normalen Puzzles ergab sich nun ein völlig neues Bild. Einzeln betrachtet, hatte die Szene für Christien eindeutig wirken müssen. Er war eine Woche lang in Paris gewesen, ohne sich bei ihr zu melden, und dann hatte er beobachtet, wie sie einen anderen küsste.
„Warum hast du mich nicht darauf angesprochen?“, rief sie ihm nach.
„Meinst du, ich würde mich so weit erniedrigen?“, konterte er von der Treppe her.
Tabby zählte im Stillen bis zehn, um ihren Frust zu bewältigen, dann lief sie ebenfalls nach unten.
Christien war sichtlich schockiert von seiner Begegnung mit der primitiven Sanitäreinrichtung. „Hier kann man sich überhaupt nicht waschen“, stellte er ungläubig fest.
„Es gibt ein Waschbecken und einen Durchlauferhitzer für warmes Wasser. Ich will mit dir über Pete reden und …“
„So hieß er also“, unterbrach er sie grimmig. „Du Flittchen!“
„Hör auf“, befahl sie ihm. „Meine Freundinnen waren dabei, genau wie seine Freunde, und es war helllichter Tag. Ich habe mit ihm einen Ausflug auf dem Motorrad gemacht, mehr nicht. Der lächerliche kleine Kuss, den du beobachtet hast, war alles, was zwischen uns gewesen ist!“
„Und das soll ich dir glauben?“
„Warum nicht? Ich habe den Kuss nicht erwidert, und außerdem dauerte er nicht lange genug, als dass ich Pete hätte wegstoßen können. Es war harmlos. Ich war verrückt nach dir …“
„Und die größte Lügnerin Europas“, ergänzte Christien geringschätzig.
Tabby wurde zuerst blass und dann rot. „Aber nicht in diesem Punkt“, beharrte sie. „Ich wäre mit keinem anderen Mann gegangen, das solltest du eigentlich wissen. Aber vielleicht wusstest du es ja auch und brauchtest lediglich einen weiteren Grund, um mich aus deinem Leben zu verbannen.“
Christien fluchte auf Französisch, doch er war stutzig geworden, und ihm kamen die ersten Zweifel. Damals hatte er tatsächlich geglaubt, sie wäre zu vernarrt in ihn, um fremdzugehen. Andererseits hatte er erst kurz zuvor erfahren, wie jung sie wirklich war, und gewusst, wie kurzlebig eine Teenagerschwärmerei sein konnte.
„Damit hattest du die beste Ausrede, um von mir fernzubleiben, oder?“ In ihren Augen spiegelte sich die schreckliche Erinnerung an ihr Treffen im Krankenhaus. Sie waren einander wie Fremde begegnet, in einem Wartezimmer voller Menschen, deren Leben durch Gerry Burnsides Trunkenheit am Steuer für immer zerstört worden war.
Gerry Burnside war auf der falschen Straßenseite gefahren, um eine Ecke gebogen und mit seinem Landrover frontal mit Henri Laroches Porsche zusammengestoßen. Tabbys Stiefmutter Lisa war die einzige Erwachsene, die nicht im Wagen ihres Mannes gesessen hatte, und wurde im Warteraum von Weinkrämpfen geschüttelt. Pippa war über den Tod ihrer Mutter erschüttert gewesen und hatte auf eine Nachricht gewartet, wie die Notoperation an ihrem Vater verlaufen sei. Hillary und ihre kleine Schwester Emma hatten beide Elternteile verloren und hielten einander eng umschlungen. Jens Mutter war ebenfalls schwer verletzt worden, und Jen hatte für ihr Überleben gebetet.
Christien war mit Veronique Giraud erschienen. Kummer und Schock hatten sich in seinen Augen gespiegelt. Tabby wäre am liebsten zu ihm geeilt, hatte es jedoch nicht gewagt, den Mann zu berühren, den sie liebte und der seinen Vater durch den unverzeihlichen Leichtsinn ihres Vaters verloren hatte.
„Der Tod meines Vaters … der Unfall … nichts von all dem hätte mich von dir fernhalten können.“ Er zog sie tröstend an sich.
„Ich hatte nichts mit Pete“, beteuerte Tabby.
Christien küsste sie, bis sie um Atem rang, und verdrängte das Unbehagen, das sie in ihm geweckt hatte. Er wollte die Vergangenheit ruhen lassen. Momentan konnte er an nichts anderes denken als an das nächste Mal mit ihr und an das Mal danach und daran, wie oft er von Paris herfliegen könnte, um mit ihr zusammen zu sein. Hier im Sommerhaus seiner Großtante auf dem Duvernay-Anwesen? Unmöglich! Er würde für Tabby ein wesentlich passenderes und behaglicheres Heim suchen …
Irgendwann im Morgengrauen erwachte Tabby und stöhnte wohlig auf, während Christien sie mit raffinierten Zärtlichkeiten verwöhnte. „Noch einmal?“ Sie bewunderte seine Ausdauer.
„Bist du zu müde?“ Sein sinnlicher Akzent übte wie immer eine betörende Wirkung auf sie aus.
„Wage es nicht, aufzuhören“, warnte
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