Julia Collection Band 21
was sie darauf erwidern sollte. Jake und seine Rechte. Sie musste zugeben, dass sie erst in letzter Zeit an das Recht ihres Sohnes gedacht hatte, seinen Vater zu kennen. Immerhin erreichte er bald ein Alter, in dem er anfangen würde, peinliche Fragen zu stellen.
„Nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist, dachte ich nicht, dass du dich für ihn interessieren würdest.“ Sie wusste, dass sie trotzig klang, aber sie konnte nicht anders. Es war einfach nicht fair von ihm, sich der Tatsache zu verschließen, dass sein Verhalten natürlich ihre Erwartungen und ihre Meinung über ihn beeinflusst hatte.
„Die Entscheidung darüber stand dir nicht zu.“
„Okay, ich bin mit dem festen Vorsatz, dir alles über meinen Sohn zu erzählen, zu der Unfallbefragung gefahren, aber du hattest ja nicht einmal fünf Minuten deiner Zeit für mich übrig.“
Christien zuckte mit keiner Wimper. „Darum geht es nicht …“
„Entschuldige, aber genau darum geht es“, beharrte sie. „Ich war bereit, gewillt und versessen darauf, dir von Jake zu berichten. Erinnerst du dich nicht mehr, wie widerwärtig du dich an diesem Tag benommen hast?“
„Ich habe nichts gesagt oder getan …“
„Und nichts ist exakt das, was du verdient und bekommen hast, dass du mich wie Abschaum behandelt hast! Ich habe dich förmlich angefleht, unter vier Augen mit dir sprechen zu dürfen, obwohl deine versnobten Verwandten und Freunde mich angestarrt haben, als wäre ich und nicht mein Vater schuld an diesem schrecklichen Unfall gewesen.“
Er war blass vor Wut. „Verdammt! Ich war an diesem Tag viel zu sehr mit meiner Trauer um meinen Vater beschäftigt, um mich für das Betragen anderer Leute zu interessieren.“
„Es war dir absolut egal. Ich war achtzehn, allein in einem fremden Land und ebenfalls in Trauer.“ Tabby war am Ende ihrer Kräfte. „Und jetzt redest du, als hättest du alle Trauer dieser Welt für dich gepachtet. Wenigstens kannst du mit Respekt und Zuneigung an ihn zurückdenken. Mir ist sogar das verwehrt, denn mein Vater war betrunken und hat nicht bloß sein eigenes, sondern auch die Leben vieler anderer zerstört.“
Christien hob abwehrend die Hände. „Ich habe nicht darauf geachtet, wie die anderen sich benommen haben. Wenn du glaubst, an meiner Zurückhaltung dir gegenüber wäre nur der Kummer schuld gewesen …“
„Schrei mich nicht an“, unterbrach sie ihn warnend.
Er stutzte, als ein sonderbarer Laut aus dem oberen Stockwerk an sein Ohr drang. Tabby erkannte sofort das furchtsame Wimmern ihres Sohnes und stürmte die Stufen hinauf.
Jake saß kerzengerade in seinem Bett, Tränen strömten über sein blasses, angsterfülltes Gesicht. „Das Auto … das Auto hat mich überfahren“, schluchzte er.
Sie schloss den kleinen zitternden Körper in die Arme. „Es war bloß ein Traum, Jake … bloß ein Traum. Du bist in Sicherheit. Du bist in Ordnung. Du hast dich erschreckt, aber du bist nicht verletzt“, versicherte sie ihm tröstend.
Aber die gefürchteten Folgen ließen sich nicht aufhalten. Obwohl er sofort zu weinen aufgehört hatte, rang er nun um Atem und keuchte. Weil er noch nicht ganz wach war, litt er nach wie vor unter den Auswirkungen des Albtraums und wurde besonders heftig von seiner körperlichen Schwäche gequält.
8. KAPITEL
Wie betäubt vor Schock, beobachtete Christien, wie Jake darum kämpfte, Luft in seine schmale Brust zu pressen. Da Christien bis dahin nie auch nur den Anflug von Furcht gespürt hatte, traf ihn die Angst um seinen Sohn so hart wie ein Peitschenhieb. Er sah, dass Tabby nach einem Inhalator griff und den kleinen Jungen versorgte. Seinen kleinen Jungen.
„Was ist mit ihm? Was kann ich tun?“ Christien war fast übel vor Sorge.
„Du brauchst nichts zu tun. Jake geht es gut.“ Tabby bemühte sich, so ruhig wie möglich zu sprechen, um Jake nicht erneut in Panik zu versetzen. „Es ist bloß ein kleiner Asthmaanfall, und das Mittel in dem Gerät hilft, ihn unter Kontrolle zu bringen.“
Außer Stande, weiter tatenlos zuzuschauen, ging er hinaus auf den Treppenabsatz, zog sein Handy hervor und rief einen Arzt an.
Selbst nachdem sich die Atemprobleme seines Sohnes gelegt hatten, konnte Christien nicht den Blick von Jake wenden. Vom Äußeren her war der Kleine eindeutig ein Laroche. Das schwarze lockige Haar fiel ihm ebenso widerspenstig in die Stirn wie Christien. Seine Augen glichen denen seiner Großmutter väterlicherseits – dunkel, glänzend und
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