Julia Collection Band 21
einen Ort brachte, wo sie allein sein konnten. Aber während seine Sinne sich diese Szene ausmalten, erhob seine Vernunft Einspruch. Er wollte stets alles unter Kontrolle haben.
„Santo Cielo“, flüsterte er rau.
Der gepeinigte Unterton in seiner Stimme ließ Pippa erbeben. Sie begegnete seinem feurigen Blick, und die Kehle wurde ihr eng. Zum ersten Mal in ihrem dreiundzwanzigjährigen Leben begriff sie, was es hieß, von einem Mann wirklich begehrt zu werden. Sie wusste allerdings nicht, warum sie es begriff, weshalb sie den Ausdruck in seinen Augen als grenzenlose Sehnsucht deutete. Obwohl sie ihn soeben erst kennengelernt hatte, bewegte sie sich auf der gleichen Wellenlänge wie er. Sie fühlte, was er fühlte, und das erschreckte und erregte sie gleichermaßen.
„Lassen Sie uns von hier verschwinden.“ Er reichte ihr die Hand.
Pippa konnte keinen klaren Gedanken fassen, trotzdem legte sie ihre Hand in seine, weil sie der Versuchung, ihn zu berühren, nicht widerstehen konnte. Sie zitterte, während das Blut schneller und heißer durch ihre Adern strömte. „Es ist verrückt“, wisperte sie.
Andreos Handy klingelte in der Tonfolge, die sein vierzehnjähriger Bruder einprogrammiert hatte, um anzukündigen, dass er – und nur er – anrief. Jeden anderen Anruf hätte Andreo in diesem Moment ignoriert, aber er war sich schmerzlich bewusst, dass er in Marcos Augen eher die Rolle eines Vaters spielte.
Widerstrebend gab er Pippas Hand frei, entschuldigte sich für die Störung und meldete sich am Apparat. Sein Bruder überfiel ihn prompt mit der Schilderung eines mathematischen Problems, für das Marco keine Lösung fand. Seufzend griff Andreo nach einer auf der Bar ausliegenden Broschüre und notierte die Aufgabe auf einer freien Stelle.
„Mein kleiner Bruder … Er ist im Internat und braucht manchmal meine Hilfe bei den Hausaufgaben“, raunte er Pippa zu.
Allmählich kehrte sie aus der sinnlichen Zauberwelt, in die ihre aufgewühlten Hormone sie katapultiert hatten, in die Wirklichkeit zurück. Sie konnte kaum fassen, dass sie um ein Haar mit Andreo gegangen wäre. Mit einem Mann, den sie gerade erst getroffen hatte und über den sie nichts wusste! Sie war über ihren eigenen Leichtsinn schockiert. Man hätte meinen können, sie habe ihren Verstand in der Sekunde verloren, als sie Andreo erblickt hatte!
„Marco …“ Andreo spürte Pippas Abkehr von ihm so deutlich, als hätte sie ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Er bemühte sich, seinen Ärger zu verbergen, als sein ungeduldiger kleiner Bruder ihn fragte, wie lange es dauern würde, das Problem zu lösen.
Sie überlegte, wie, um alles in der Welt, sie Andreos Interesse weiter fesseln und ihm zugleich erklären solle, dass sie sich anders besonnen habe und mit ihm nirgendwo hingehen wolle. Ihr Blick fiel auf seine Notizen. Er kämpfte offenbar mit einer komplizierten Gleichung.
„Diese Zeile ist falsch“, flüsterte Pippa und beugte sich über die Aufgabe.
Andreo stutzte. „Im Ernst?“
Sie nahm den Stift und machte sich an die Berechnung. Eine knappe Minute später hatte sie das Ergebnis parat und zeigte ihm, wo sein Fehler lag.
Andreo atmete tief durch. In Mathematik war er besser als neunundneunzig Prozent seiner Mitmenschen, und nun hatte er seinen Meister gefunden, und zwar in Gestalt einer ebenso hübschen wie taktlosen Rothaarigen. War er ein sexistischer Macho?
„Andreo …“, rief Marco bewundernd, der den Dialog mit angehört hatte. „Wer immer sie ist, sie ist genial. Keine von deinen üblichen Dummchen, oder? Ich muss ihre Telefonnummer haben!“
Als Andreo das Gespräch beendete, dämmerte Pippa, dass sie nicht sonderlich diplomatisch gewesen war. Tabby, die offenbar mit einer instinktiven Kenntnis der männlichen Natur geboren war, hatte ihr einmal erzählt, dass Männer sehr zarte Egos hätten und dass man, wenn man einen Mann wirklich liebte, ihm stets Raum geben müsse, sein Gesicht zu wahren. Pippa wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken, wenn sie bedachte, wie sie ihn mit ihrem mathematischen Talent überrollt hatte.
Über ihren Kopf hinweg bemerkte Andreo zwei Mitglieder seines persönlichen Stabes. Sie standen an der Tür zum Konferenzsaal und wollten ihn vermutlich auf die Party zurückholen, allerdings zögerten sie, ihn und seine Begleiterin zu stören. Er schob Pippa zum Ende der Bar, wo sie außer Sicht waren.
„Wir sollten uns trennen und für zehn oder fünfzehn Minuten in den Saal
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