Julia Collection Band 21
zusätzlichen Kursen und Studien angefüllt waren, statt mit Partys oder Flirts. Jungen waren ihr stets so fremd und unerreichbar wie Außerirdische vorgekommen, und sie hatte nie gelernt, was sie in ihrer Gesellschaft tun oder sagen sollte. Mit siebzehn hatte sie sich in einen jungen Mann verliebt und war von ihm gedemütigt worden, und von diesem Tag an war ihr verletzter Stolz ihr stärkster Schutz gewesen.
Fast sechs Jahre lang hatte sie ihren Vater gepflegt und seinen Wünschen und Interessen klaglos ihre gesamte Freizeit geopfert. Fügsam hatte sie die pflichtbewusste Tochter gespielt und sich als „lange, dürre Bohnenstange“ bezeichnen lassen, die keinerlei Reiz auf Männer ausübte. Seit sie mit zwölf nach einem gewaltigen Wachstumsschub all ihre Klassenkameradinnen überragte, hatte Pippa ihre Größe verwünscht und sich danach gesehnt, so klein und zierlich zu sein wie ihre hübsche Mutter.
Aber nun konnte sie sich zum ersten Mal von diesen Erinnerungen befreien. Andreo schien sie genau so zu mögen, wie sie war. Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Er war atemberaubend attraktiv.
Andreo beobachtete sie. Mit den gesenkten Lidern und ihrer reglosen Haltung wirkte sie unbeschreiblich verletzlich. Sie schien Zweifel zu haben. Gab es einen anderen in ihrem Leben? Jemanden, dem sie sich verpflichtet fühlte? „Vielleicht sollte ich dich nach Hause bringen“, meinte er.
Nach Hause? Es wäre wohl das Vernünftigste. Trotzdem rebellierte ihr Innerstes gegen den Vorschlag. Vernünftige Pippa. Wann war sie je etwas anderes gewesen? Und was hatte es ihr gebracht? Sie war ein Workaholic ohne Privatleben geworden, und kein Mann hatte sie je eines zweiten Blickes gewürdigt. Wann hatte sie schon einmal für einen Mann das empfunden, was sie jetzt fühlte?
„Gibt es einen anderen?“, fragte Andreo gespannt.
„Nein.“ Sie atmete tief durch. „Und für dich?“
„Nein.“ Die Blondine, die zuletzt sein Bett geteilt hatte, arbeitete derzeit als Model in Mexiko, und er sah keinen Grund, Pippa mitzuteilen, dass die Dame für ihn in dem Moment der Vergangenheit angehört hatte, als er ihre Nachfolgerin erblickt hatte.
„Ich glaube nicht, dass ich je eine Frau so begehrt habe wie dich, bella mia“, gestand Andreo rau.
„Ich möchte bleiben“, wisperte Pippa, völlig überwältigt vom Drängen ihres Körpers, der plötzlich ein eigenes Leben zu führen schien.
„Du wirst es nicht bereuen.“ Er lächelte zufrieden über ihre Einwilligung.
Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen. Er sah so gut aus, und wenn er sie anschaute, fühlte auch sie sich schön. Mit zittrigen Knien durchquerte sie das Zimmer und griff nach Andreos Krawatte wie eine Frau, die genau wusste, was sie tat.
Leider stellte sie sich dabei nicht sonderlich geschickt an, sodass der Knoten, statt sich zu lockern, sich fest zusammenzog. Amüsiert schob Andreo zwei Finger dazwischen und löste sie mühelos vom Hals. Dann presste er Pippa an sich und zwang sie sanft, ihn anzuschauen.
Sehnsüchtig hob sie ihm die Lippen entgegen, die er prompt mit seinen bedeckte. Seufzend klammerte sie sich an ihn, während er sie leidenschaftlich küsste. Er beugte sich vor und hob sie auf die Arme.
„Bin ich nicht zu schwer?“, wisperte sie zögernd.
Sie war überzeugt, dass er „der Eine“ war, der eine besondere Mann war, vom dem sie stets gehofft hatte, er möge irgendwo auf sie warten. Der Mann, in den sie sich rettungslos verlieben würde. Der Mann, der sich hoffentlich auch rettungslos in sie verlieben würde. Nun ja, vielleicht nicht rettungslos, korrigierte sie sich im Stillen, aus Furcht, zu viel zu verlangen und am Ende mit nichts dazustehen, als Strafe, weil sie zu anspruchsvoll gewesen war. Selbst wenn er sich bloß ein bisschen in mich verlieben würde, wäre ich schon zufrieden, sagte sie sich.
„Du bist leicht wie eine Feder, cara mia … außerdem bin ich ein unverbesserlicher Angeber“, neckte Andreo sie, während er sie in das angrenzende Schlafzimmer trug und wieder auf die Füße stellte.
Eine ihrer Sandaletten war heruntergefallen, und deshalb streifte sie auch die andere ab. Er knöpfte inzwischen sein Hemd auf. Mit großen Augen beobachtete sie, wie der Stoff seinen muskulösen Oberkörper freigab. Seine Brust war mit dunklem Haar bedeckt, das sich zum Gürtel hin verjüngte. Ihr wurde heiß. Sie wich zurück, bis sie gegen das Bett stieß und auf die weiche Matratze sank.
„Was …?“ Seine Augen funkelten.
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