Julia Collection Band 21
ihr Vertrauen missbraucht. Wie dumm musste man eigentlich sein, um sich mit einem Mann einzulassen, den man gerade erst kennengelernt hatte? Was sie für eine ganz besondere und romantische Begegnung gehalten hatte, erschien ihr jetzt mehr wie ein billiges Abenteuer. Angewidert schüttelte sie den Kopf. Andreo war ein notorischer Frauenheld. Wie hatte sie das vergessen können?
Zugegeben, er war so charmant und weltgewandt wie der legendäre Casanova. Pippa presste die Lippen zusammen. Sie war zu naiv gewesen, um Andreo D’Alessios Charakter zu durchschauen. Wo war ihre Intelligenz geblieben? Andreo hatte Befehle erteilt, und zwar mit der kühlen Autorität eines Mannes, der es gewöhnt war, dass sich jeder darum riss, seine Wünsche zu erfüllen. Arrogant, selbstbewusst, anmaßend. Seine Hotelsuite war weitläufig und pompös. Die Rosen und die üppige Frühstücksauswahl waren die verschwenderische Geste eines Mannes gewesen, der schamlos seinen Reichtum einsetzte, um eine Frau zu beeindrucken. Und sie war beeindruckt gewesen, oder? Unvermittelt traten ihr Tränen in die Augen.
Pippa stand auf und eilte in den Waschraum. Deprimiert betrachtete sie ihr Spiegelbild. Warum litt sie so sehr? Sie war einer Illusion erlegen. Und sie war erstaunt? Wie ihr verstorbener Vater nicht müde geworden war, ihr einzuhämmern: Das Leben war hart. Ihr blieb nichts anderes übrig, als weiterzumachen und sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Aber worauf? Auf ihre glanzlose Zukunft bei einer Firma, die es nicht nur abgelehnt hatte, sie zu befördern, sondern darüber hinaus ihr auch noch einen längeren Zwangsurlaub verordnet hatte? In diesem Moment beschloss Pippa, am Ende ihrer dreiwöchigen Ferien nicht mehr zu Venstar zurückzukehren.
Stattdessen würde sie ihre Kündigung einreichen und woanders neu anfangen. In einem Unternehmen, für das Aussehen nicht so wichtig war wie Qualifikation und das harte Arbeit und Erfolg belohnte. Ein Unternehmen, in dem sie nicht mit ihrem Boss geschlafen hatte. Pippa atmete tief durch. Es war auch Andreos Schuld gewesen, dass sie ihre Prinzipien verraten und am Ende mit ihrem Arbeitgeber geschlafen hatte. Eine Woge unbändigen Zorns durchströmte sie und verlieh ihr neue Energie. Im Nachhinein konnte sie Andreos Rücksichtslosigkeit nicht fassen, und sie wusste, dass sie keinen Frieden finden würde, bis sie ihn zur Rede gestellt hatte.
Sie fuhr mit dem Lift in die Vorstandsetage. Es war fast Mittag, und die Flure waren voll mit geschäftig umhereilenden Angestellten. Pippa steuerte direkt auf die Tür zum Büro des Geschäftsführers zu, klopfte einmal an und trat ein, bevor jemand sie daran hindern konnte.
Verblüfft über die unvermittelte Störung, wandte Andreo sich vom Computermonitor ab und Pippa zu. Der schlanken, ganz in Schwarz gekleideten Frau mit saphirblauen Augen und weichen Lippen. Er lächelte, weil es ihn freute, dass sie zu ihm gekommen war, und gleichzeitig fragte er sich, warum sie einen Hosenanzug trug, der mindestens eine Nummer zu groß für sie war.
Sein Lächeln brachte Pippas mühsam gewahrte Selbstbeherrschung ins Wanken. Dass er noch lächeln konnte, wenn sie zutiefst verletzt war, war fast mehr, als sie ertragen konnte. Trotzdem konnte sie den Blick nicht von ihm wenden. Intime Erinnerungen verdrängten ihren Ärger. Plötzlich war sie wieder dort, wo sie in der letzten Nacht gewesen war, errötete tief und war wie verzaubert von seiner Ausstrahlung.
„Philly …“ Andreo erhob sich geschmeidig und streckte ihr die Hand entgegen.
Der Name, den er benutzte, durchbrach den Bann. „Eigentlich heiße ich Pippa, Pippa Stevenson“, erklärte sie mit unnatürlich hoher Stimme. „Wie konntest du mich nur so anlügen, Andreo?“
Er ließ die Hand sinken. Pippas Tonfall behagte ihm gar nicht. „Ich habe dir nicht eine einzige Lüge erzählt.“
„Aber du wusstest, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, dass du Andreo D’Alessio bist. Wenn du schon nicht bereit warst, mir die Wahrheit zu sagen, hättest du mich in Ruhe lassen sollen.“
„Du wolltest doch gar nicht in Ruhe gelassen werden, cara mia.“ Er wunderte sich, warum sie so viel Aufhebens um eine Sache machte, die jede normale Frau begeistert hätte.
Statt ein unbedeutender Angestellter zu sein, war er Besitzer einer Firma. Statt nur mittelmäßig erfolgreich zu sein, war er Herr über einen weltweiten Konzern. Statt ein durchschnittliches Gehalt zu verdienen, war er geradezu unverschämt
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