Julia Collection Band 21
würde nicht einmal ich dich erkennen“, versicherte Andreo stirnrunzelnd. „An jenem Tag in Neapel habe ich bloß eine kurze Bemerkung über dein Äußeres gemacht. Ich habe nichts Anzügliches oder Missverständliches über hübsche oder begehrenswerte Frauen im Management geäußert, das schwöre ich. Ich habe lediglich gesagt, dass du schlampig aussiehst.“
„Wie bitte?“
„Du siehst auf diesem Bild leider wirklich sehr ungepflegt aus“, verteidigte er sich.
Schlampig? Pippa konnte kaum glauben, dass er tatsächlich dieses Wort benutzt hatte, um sie zu beschreiben. Sie trat näher und riss ihm die Broschüre aus den Händen. „Was stimmt nicht mit mir?“
„Das fragst du noch? Dein Haar, zum Beispiel … es ist völlig durcheinander.“ Andreo betrachtete sie, während sie sich über das Foto beugte. Dabei stellte er fest, dass ihr Haar tatsächlich – zumindest auf den ersten Blick – recht zerzaust wirkte. Winzige rotbraune Locken säumten den Haaransatz, und eine widerspenstige Welle ließ den vormals seidigen, glatten Pferdeschwanz ziemlich ungeordnet auf ihren Rücken fallen. Die rote Pracht war keineswegs glatt, sondern fast kraus.
„Schlampig …“, wiederholte Pippa entsetzt.
Ihr deprimierter Tonfall traf ihn wie ein Schlag in den Magen, aber er war verbohrt und so wütend auf sie, wie es nur ein Mann sein konnte, dem weibliche Kritik völlig fremd war. „An deiner Jacke fehlt ein Knopf, und deine Hose sieht aus, als hättest du in ihr geschlafen. Du wirkst nicht gerade elegant. Das ist alles, was ich gesagt habe.“
Errötend biss sie sich auf die Lippe. Das Foto war knapp eine Woche nach dem Tod ihres Vaters aufgenommen worden. Sie hatte sich damals verspätet und war atemlos in den Raum gestürzt. Es war ein alter Hosenanzug, der ihr nicht unbedingt schmeichelte. Aber das Wort „schlampig“ beschämte sie, und sie war schockiert, dass er so grausam mit ihren Gefühlen umging.
„Das ist die einzige Bemerkung, die ich gemacht habe“, beteuerte Andreo und beschloss, nie wieder die äußere Erscheinung eines Angestellten zu kommentieren, ohne vorher gründlich nachgedacht zu haben.
Trotzdem hat er mich um den Posten der Abteilungsleiterin gebracht, obwohl er es leugnet, überlegte Pippa traurig. Er hätte wissen müssen, wie eifrig die Venstar-Manager darauf aus waren, ihm zu gefallen. Seine Kritik hatte genügt, um ihre Bewerbung abzuschmettern.
„Ich wiederhole, dass ich nichts Unpassendes über meine angeblichen Vorlieben bei weiblichen Angestellten geäußert habe“, betonte er.
Pippa schwieg trotzig. Er mochte zwar eine unwiderstehliche Wirkung auf Frauen ausüben, aber gleichzeitig war er dank seiner Persönlichkeit sehr beliebt bei seinen Geschlechtsgenossen. Und das Management von Venstar war von der männlichen Überlegenheit absolut überzeugt. Falls Andreo in Neapel ein paar kumpelhafte Witze über Frauen gemacht hatte, hätte er kein empfänglicheres Publikum finden können.
„Ich nehme an, du akzeptierst das“, fügte er drängend hinzu.
Sie lachte bitter. „Ich bin mir nicht sicher. Dein Verhalten in der letzten Nacht hat gezeigt, dass du dich nicht an die Grenzen gebunden fühlst, die ein normaler Arbeitgeber automatisch respektieren würde.“
„Diese Behauptung weise ich entschieden zurück!“
„Kein Wunder, denn du bist vollkommen überzeugt, dass für dich keinerlei Regeln gelten“, konterte sie mit bebender Stimme. „Du scheinst zu glauben, du hättest ein gottgegebenes Recht, das zu tun, was dir gefällt, ungeachtet der Konsequenzen für andere. Was ist mit meinen Rechten? Du bist mein Chef, und hätte ich das geahnt, wäre zwischen uns nicht das Geringste passiert. Mir wäre nicht im Traum eingefallen, mich mit dir vor meinen Kollegen zu zeigen!“
„Dio mio, was geschehen ist, ist geschehen.“ Andreo begegnete ihrem Blick.
„Es hätte nie geschehen dürfen.“ Unter Aufbietung ihrer gesamten Willenskraft senkte sie den Kopf. „Übrigens bedeutet ‚schlampig‘ ‚schmutzig‘, und ich habe mein Leben lang auf Sauberkeit geachtet.“
„Das habe ich auch nie angezweifelt. Du wirkst auf dem Foto lediglich ein bisschen ungepflegt. Mir war nicht klar, dass das Wort noch eine andere Bedeutung hat.“ Andreo begriff selbst nicht, warum er sich solche Mühe gab, sie zu besänftigen. Er war ärgerlich auf sie. Er hatte allen Grund, ärgerlich zu sein, und dennoch schloss er sie vorsichtig in die Arme.
„Ich bin nicht ungepflegt. Was tust
Weitere Kostenlose Bücher