Julia Collection Band 23
steuern? Das hatten ihre Brüder nie erlaubt.
Lachlan schien sich nichts dabei zu denken. Er wartete nicht einmal, um zu sehen, wie sie zurechtkam, sondern ging nach vorn, um das Großsegel zu hissen.
Sein Vertrauen gab ihr Mut. Sie atmete tief ein und lockerte den eisernen Griff, mit dem sie das Steuerrad umklammerte, als das Boot langsam aufs offene Meer hinausfuhr und das Segel am Mast hochstieg. Er befestigte die Leine an einer Klampe, verstaute die Winschkurbel und kam zu Fiona. „Alles in Ordnung?“
Sie trat zurück, um ihm das Steuerrad zu überlassen, doch er winkte ab. „Noch nicht, ich muss noch das Focksegel setzen. Dreh das Rad ein wenig, damit wir vom Wind wegsegeln.“
Sie tat wie geheißen. Ein glückliches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als der Wind die Segel bauschte und das Boot mit größerer Geschwindigkeit durch das Wasser glitt.
O Gott, ist das schön!, dachte sie.
Lachlan kam zurück und stellte den Motor ab, und dann hörte man nur noch den Wind in den Segeln und das Klatschen der Wellen gegen den Rumpf. Fiona lachte vor Entzücken.
„Was ist?“, fragte er.
„Nichts. Es ist … es ist einfach herrlich.“ Sie strahlte. „Ich meine das Segeln – ich hatte keine Ahnung …“
„Du bist noch nie gesegelt? Aber dein Vater … deine Brüder …“
„Dad war Fischer, und Mike und Paul sind auch Fischer. Für sie ist ein Boot zum Arbeiten da, nicht zum Vergnügen. Wenn sie mich mitnehmen, was nicht oft vorkommt, darf ich nichts anrühren. Frauen an Bord bringen Unglück, heißt es.“
Verblüfft starrte er sie an, dann sagte er: „Da bin ich anderer Meinung – wenigstens, was dich betrifft.“
Sie sah auf, und ihre Blicke trafen sich. Seine Augen glänzten, blau und tief wie das Meer. Das dunkle Haar bewegte sich leicht in der Brise, und für den Bruchteil einer Sekunde stand Fionas Herz still. Rasch sah sie zur Seite, dann trat sie zurück, um ihn ans Steuer zu lassen.
Er schüttelte den Kopf. „Du segelst.“
„Ich kann nicht – ich weiß nicht, wie man das macht.“
„Dann zeige ich es dir.“
Er trat hinter sie und legte seine Hände auf ihre, um ihr beim Steuern zu helfen. Ihr Atem stockte, aber sie protestierte nicht.
Sie segelten die Küste entlang bis ans Ende der Insel und ein wenig darüber hinaus. Dann erklärte er, wie man ein Boot wendet und was sie zu tun hatte, bevor er zum Bug ging, das Vorsegel auf die andere Seite brachte und neu trimmte.
Als sie die Bucht erreichten, stellte er den Motor an und überließ Fiona das Steuer, während er die Segel herunternahm. Nach der Stille erschien der plötzliche Lärm ohrenbetäubend, und sie war froh, als sie etwa vierzig Meter vom Strand entfernt vor Anker gingen und Lachlan den Diesel wieder abstellte.
Fiona atmete tief ein. Es war schon lange her, seit sie Eden Cove das letzte Mal gesehen hatte, aber die kleine Bucht mit dem kristallklaren Wasser, dem weißen Sandstrand und der Kette von Kokospalmen war genauso traumhaft, wie sie es in Erinnerung hatte.
„Wie das Foto auf dem Einband für einen Liebesroman“, hatte Julie geschwärmt, nachdem sie und Paul hier einen Tag verbracht hatten, und dann mit einem verträumten Lächeln hinzugefügt: „Und so inspirierend.“
Fiona wusste, dass Pärchen gern hierher kamen, nicht nur wegen der Schönheit, sondern auch, um die Abgeschiedenheit zu genießen. Und sie fragte sich erneut, ob es hier wirklich ein Fischernetz gab oder ob Lachlan etwas anderes im Sinn hatte. Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Die Augen mit einer Hand gegen die Sonne abschirmend, sah er zum Strand hinüber, als wolle er die Entfernung abschätzen. „Wir können das Schlauchboot nehmen oder schwimmen. Was ist dir lieber?“
„Schwimmen.“
„Mir auch.“
Er zog das T-Shirt über den Kopf, warf die Sandalen beiseite und tauchte mit einer geschmeidigen Bewegung ins Wasser. Schnell schlüpfte Fiona aus dem ärmellosen Oberteil und den Shorts, unter denen sie einen dunkelblauen Badeanzug trug, und sprang ihm nach.
Er schwamm, wie er Fußball spielte oder segelte oder einen Hammer schwang: gekonnt, kraftvoll und elegant. Langsam folgte sie ihm und fragte sich, ob es irgendetwas gab, das mit Bewegung zu tun hatte und worin er sich nicht auszeichnete.
Sie fragte sich, wie er als Liebhaber sein mochte.
Fiona Dunbar! Hast du den Verstand verloren?
Mit puterrotem Gesicht verschwand sie unter dem Wasser, um ihren überhitzten Gedanken die notwendige Kühlung zu verschaffen, und
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