Julia Collection Band 23
Er wusste, wie viel ihr das Studium bedeutete, wie wichtig es für sie war, die Welt zu sehen und Erfahrungen zu sammeln.
Ich kann warten, sagte er sich. Sie bleibt ja nicht für immer, in zwei Jahren kommt sie zurück. Bis dahin kann sie endlich das tun, wonach sie sich so lange gesehnt hat, und ihre Träume verwirklichen.
Und er?
Er kam zurecht. Er stürzte sich in die Arbeit und verbrachte so viel Zeit wie möglich im Sandpiper, weil ihm dort das Alleinsein leichter fiel als auf Pelican Cay. Er erwarb ein Hotel auf den Turks und Caicos südlich der Bahamas und begann mit den Renovierungen. Er ließ das Dach vom Mirabelle neu decken, und er half Hugh, die Werkstatt fertigzustellen.
In seiner Freizeit trainierte er mit den Pelikanen, die inzwischen an Turnieren auf anderen Inseln teilnahmen. Er arbeitete gern mit ihnen; sie hielten ihn auf Trab, und manchmal brachten sie ihn auch zum Lachen.
Das Leben war erträglich, solange er sein regelmäßiges Quantum Nachrichten aus Italien hatte.
Natürlich bekam er von Fiona selbst keine Post, aber er hatte seine Quellen. Ab und zu schaute er bei Paul und Julie vorbei, um die Zwillinge zu bewundern, und Julie hatte stets etwas zu berichten.
„Sie macht unheimlich Fortschritte“, sagte sie. „Gestern hat sie mir eine Zeichnung von einem ihrer Professoren gescannt. Möchtest du sie sehen?“
„Sicher“, erwiderte er so unbeteiligt wie möglich.
Es war nur eine Skizze, aber mit ein paar Strichen hatte Fiona das Wesentliche in dem Mann gekonnt zum Ausdruck gebracht – die Hakennase, die nachlässige Kleidung, die Intelligenz in dem durchdringenden Blick. Sie hatte ein gutes Auge für Menschen.
„Nicht schlecht.“ Die Zeichnung war wundervoll.
„Möchtest du sie? Ich kann uns eine Kopie machen.“
„Wenn es dir nichts ausmacht …“ Am liebsten hätte er ihr das Blatt aus der Hand gerissen, sosehr wünschte er, etwas von ihr zu haben. Auf dem Heimweg fühlte er sich einsamer als je zuvor in seinem Leben. Nie hätte er geglaubt, dass sie ihm so fehlen würde.
Von ihrem Neffen erfuhr er, dass sie mit Vittorio zu einem Fußballspiel gegangen war. „In dem Stadion, wo du früher gespielt hast“, berichtete Tom eifrig.
„Tatsächlich?“ Er wünschte, er wäre dort und könnte ihr die Stadt zeigen. Und wer war Vittorio?
Carin erzählte, dass Fiona ihre Wochenenden in Museen verbrachte.
„Das wollte ich auch immer“, sagte er. „Aber allein macht es keinen Spaß.“
„Sie geht nicht allein. Vittorio begleitet sie.“
Lachlan biss die Zähne zusammen. „Das freut mich“, erwiderte er.
Molly schwärmte ihm von Fionas Wohnung über der Weinhandlung vor. „Ihre Freundin Giulia hat sie ihr beschafft. Und alle haben beim Umzug mitgeholfen, Alberto, Franco, Giancarlo und Vittorio.“
Schon wieder dieser Name!
„Seit sie Kunstgeschichte studiert, besichtigt sie jede Kirche in der Umgebung, sie ist dauernd unterwegs.“
„Mit dem Bus?“ Lachlan lächelte vielsagend. Er erinnerte sich gut an die alten Busse.
Molly schüttelte den Kopf. „Nein, sie hat ein Motorrad gekauft. Nächstes Wochenende fährt sie übrigens nach Mailand.“
„Mit dem Motorrad?“
„Natürlich nicht, Vittorio hat einen Ferrari.“
Wer zum Teufel war Vittorio?
Anfang Oktober kam Adela Dirienzo aus Amsterdam zurück.
Fiona sah der ersten Begegnung mit ihrer Lehrerin mit Herzklopfen entgegen. Mittlerweile hatte sie sich mit dem Werk der Bildhauerin vertraut gemacht und wusste, dass Adela sowohl mit Marmor als auch mit Ton arbeitete. Ihre Skulpturen waren kraftvoll und dynamisch. Ihr verdankte Fiona die Aufnahme an der Schule, betonte der Direktor, Signore Bellini.
„Sie sagt, Sie ’aben Talent. Die Fotos von Ihre Mappe sein vielverspreschend. In ihre Ansicht es lohnt, Talent zu entwickeln.“
Fiona dachte an die Muschelskulpturen, die Holzfiguren und Tonpelikane. Das Beste waren noch die Metallfiguren. Aber vielversprechend?
„Adela Dirienzo weiß, wovon sie redet“, versicherte Hans, ihr Klassenkamerad. „Wenn sie sagt, du hast Talent, dann stimmt es.“
Fiona hoffte, dass er recht hatte. Was, wenn das Ganze ein Missverständnis war? Wenn man Signora Dirienzo aus Versehen die falsche Mappe geschickt hatte?
Als sie daher am Mittwochnachmittag die Treppen zum Atelier hinaufstieg und an die Tür klopfte, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
„Herein.“
Fiona öffnete und sah sich einer Frau Mitte sechzig in einem dunkelblauen Arbeitsanzug gegenüber. Das grau
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