Julia Collection Band 23
melierte Haar war im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt, und im Moment mühte sie sich damit ab, einen Marmorblock zu bewegen.
„Ah, la Signorina von den Bahamas. Fiona, nicht wahr? Kommen Sie, ’elfen Sie mir, per favore. Der gehört uns.“ Sie tätschelte den Marmor, als wäre er ein guter Freund.
Fiona ließ den Rucksack fallen und beeilte sich, ihrer Lehrerin zur Hand zu gehen.
Signora Dirienzo – Adela, wie sie Fiona korrigierte, als sie den Marmorblock auf den Arbeitstisch stellten – lächelte. „Das ist, was mir gefällt an Ihnen. Sie ’aben Energie. Wissen, was Sie wollen, nischt wahr?“
„Ich hoffe es wenigstens“, murmelte Fiona ein wenig verlegen.
„Si, si. Sie schauen jetzt an. Sie sehen Möglischkeiten, oder?“ Liebevoll strich sie mit der Hand über den Marmor.
Fiona schaute; sie war nicht sicher, was sie sehen sollte.
„Jetzt fassen Sie an.“
Zögernd streckte Fiona eine Hand aus. Der Stein war kühl und rauer, als sie erwartet hatte. Vorsichtig strich sie über die gemaserte Fläche.
Adela nickte zufrieden. „Ja, so ist richtig. Kommen Sie.“ Sie führte ihre Schülerin vor ein Regal, auf dem mehrere vollendete Werke standen. „Machen Sie Augen zu.“ Dann nahm sie Fionas Hände und legte sie auf eine der Skulpturen. „Fühlen Sie.“
Fiona fühlte. Sie spürte die Glätte, aber auch die Unebenheiten der Maserung, strich mit den Fingerspitzen über Flächen und Kurven, Einbuchtungen und Wölbungen. Sie tat das Gleiche bei einem Dutzend anderer Figuren.
„Sagen Sie, was es ist.“
Mit geschlossenen Augen beschrieb Fiona die Form unter ihren Händen. Adela nickte enthusiastisch. „Si, si. Sie sehen. Man braucht nischt Augen, um zu sehen. Kommen Sie. Jetzt diese ’ier.“
Sie gingen von einem Werk zum anderen, und Fiona fühlte, tastete, „sah“ mit den Händen. Sie dachte an ihre eigene Skulptur, an die Linien von Lachlans nacktem Körper, und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
Adela, die sie nicht aus den Augen ließ, lachte entzückt. „Isch wusste. Sie ’aben es – die Drang, die Leidenschaft. Das isch kann nicht unterrichten. Das man muss besitzen. Jetzt wir machen uns an Arbeit.“
Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug. Der Marmorblock sei für sie, erklärte Adela. Zusammen würden sie ihn kennenlernen und versuchen, seine Sprache zu verstehen.
„Marmor spricht, aber wir müssen ihm Stimme geben“, sagte sie. „Wir müssen ’ören und fühlen, dann zu Ausdruck bringen, was er sagt.“
Fiona lauschte atemlos. Ihr war, als habe sie einen Dolmetscher gefunden. Begriffe, von deren Bedeutung sie bisher nur eine vage Vorstellung gehabt hatte, wurden mit einem Mal verständlich. Dinge bekamen plötzlich Gestalt und einen Namen. Sie hatte ihren Mentor gefunden.
„Isch kann nur ’elfen entwickeln, was da ist“, beharrte Adela.
Als der Vortrag endete, wusste Fiona nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Einsichten, Ideen und Konzepte wirbelten wild durcheinander, und sie war nicht sicher, was überwog – Erschöpfung oder Tatendrang.
„Ich hoffe nur, dass ich alldem gewachsen bin“, sagte sie.
„Sie ’aben die Werkzeuge, isch zeige, wie Sie benutzen mussen. Aber wie isch schon sage, Sie ’aben die Leidenschaft.“
„Wie können Sie das wissen?“
„Isch sehe es in Ihre Arbeit.“
„In den Muschelskulpturen und den Metallfiguren? Im Strandkönig?“
Adela lächelte. „So nennen Sie ihn?“
Fiona nickte.
„Das kann isch gut verstehen.“ Sie öffnete eine Schublade, zog Fionas Mappe hervor und entnahm ihr ein paar Bilder. „Da ist Leidenschaft, keine Zweifel“, murmelte sie zufrieden.
Fiona erstarrte und wurde bleich wie der Tod. Was sie vor sich hatte, war nicht der Strandkönig, sondern Bilder von Lachlans Skulptur, Ganzportraits und Großaufnahmen, die jeden Teil seines Körpers zeigten, so, wie sie ihn in Erinnerung hatte.
„Wer … Wie haben Sie …“
„Strandkönig . Der Name passt gut.“ Adela schmunzelte, dann krauste sie die Stirn. „Irgendwie er kommt mir bekannt vor. Aber das ischt kein Wunder – wir wollen immer, dass schöne Männer uns bekannt sind, nicht wahr?“
Fiona brachte keinen Ton hervor. Wie um alles in der Welt kamen diese Bilder in ihre Mappe?
Hatte Molly …? Aber Molly wusste nichts von der Skulptur. Niemand wusste davon.
Nur sie selbst – und Lachlan.
Ruhelos lief Fiona in ihrer kleinen Wohnung umher.
Lachlan hatte die Fotos nicht geschickt, so viel stand fest. Blieb also nur
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