Julia Collection Band 23
war es so. Warum nicht auch bei ihm?
Die Erkenntnis raubte ihr einen Augenblick lang den Atem. Dann holte sie tief Luft.
„Möglich wäre es“, hauchte sie, dann sagte sie laut: „Es ist möglich.“
Sie verharrte einen Moment, dann lächelte sie, zögernd zunächst, dann mit wachsendem Optimismus. „Ich kann es probieren“, flüsterte sie. Wie, wusste sie nicht, sie hatte so etwas noch nie versucht, aber das Unbekannte machte ihr keine Angst. Im Gegenteil, es spornte sie an.
Sie musste es versuchen.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Das Mantra ihres Vaters. Danach handelte er, und damit hatte er Siege errungen, von denen andere Menschen nur träumten. Aber auch Niederlagen, dachte Sydney. Als Vater hat er versagt, trotz seiner Bemühungen.
Zumindest sah er nicht tatenlos zu und wartete – und sie würde es auch nicht.
Schließlich war sie seine Tochter.
Dienstag verging, ohne dass Hugh zurückkam.
Sydney verbrachte den Tag in der Hafengegend, unter dem Vorwand, einen Stadtplan mit den Sehenswürdigkeiten von Pelican Town zu erstellen. Das gab ihr die Möglichkeit, nach Fly Guys Wasserflugzeug Ausschau zu halten. Aber der Himmel blieb leer.
Hugh kam auch am Mittwoch nicht zurück. Am Vormittag erledigte sie Ericas Buchhaltung, danach gab sie Belle ein Bad, wusch die Vorhänge, putzte die Fenster und schrubbte den Fußboden. Dann machte sie sich auf den Weg zur Werkstatt, um die Ablage zu erledigen – sie wollte im Büro sein, falls er anrief.
Das Telefon klingelte nicht ein einziges Mal.
Für Donnerstagnachmittag hatte sie Pelican Cays Künstler und Kunsthandwerker ins Moonstone Inn eingeladen, um ihnen bei Kaffee und Kuchen mehr über das neue Projekt zu erzählen und sie persönlich kennenzulernen. Lachlan, dem die Idee gefiel, hatte einen der Salons zur Verfügung gestellt und die Hotelköchin Maddy beauftragt, für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen.
Auf dem Weg zum Hotel schaute sie bei Molly in der Werkstatt vorbei.
„Hat Hugh angerufen?“
„Ja, heute Morgen. Komisch, dass er sich bei dir nicht gemeldet hat.“
„Wahrscheinlich wollte er bloß wissen, wie das Geschäft geht“, erwiderte Sydney gespielt gleichgültig.
„Von Geschäft hat er nichts gesagt, bloß, dass er heute Abend zurückkommt. Ich habe ihm von dem Sturm erzählt, aber …“
„Welchem Sturm?“ Sydney betrachtete den Himmel: Er war blau und wolkenlos. Die Luft war feucht und heißer als gestern und vorgestern, aber im August war das auf den Bahamas nichts Ungewöhnliches.
„Hörst du kein Radio?“, fragte Molly vorwurfsvoll. „Das solltest du dir angewöhnen, wenn du hier bleiben willst. Seit zwei Tagen redet Trina nur vom Sturm.“
Trina war der „Wetterfrosch“ der örtlichen Radiostation und eine Legende in Pelican Cay, das hatte Sydney bereits mitbekommen. Man behauptete, ihre Vorhersagen seien zutreffender als die der offiziellen Wetterdienste in den Staaten oder den Bahamas – was, wie Sydney bei sich dachte, kein Kunststück war.
„Tut mir leid, ich war in den letzten Tagen ziemlich beschäftigt.“ Das Wetter interessierte sie im Moment am allerwenigsten, doch um Molly nicht zu enttäuschen, fragte sie: „Und was hat Trina über den Sturm zu sagen?“
„Sie meint, dass er uns heute Abend erreicht und in den Morgenstunden nach Florida weiterzieht.“
Sydney zuckte mit den Achseln. „Das klingt nicht gerade Furcht einflößend.“ Drei Jahre in Florida hatten sie mit tropischen Regengüssen vertraut gemacht. Gewöhnlich kamen sie aus dem Nichts und überschwemmten alles innerhalb von Minuten. Nach einer Stunde waren sie vorbei und hinterließen nach kurzer Abkühlung nur noch mehr Feuchtigkeit und Hitze. Warum sollte es auf den Bahamas anders sein? Ihrer Meinung nach bestand kein Grund zur Aufregung, und das sagte sie Molly auch.
„Diesmal schon. Trina sagt, wir können uns auf einiges gefasst machen. Der Sturm hat schon einen Namen.“
„Dann ist es also ein Hurrikan?“
„Noch nicht, aber es kann einer werden. Nach deinem Kaffeeklatsch im Moonstone solltest du Kerzen und Wasser besorgen. Ich weiß nicht, was Hugh auf Lager hat.“
Kerzen? Wasser? „Meinst du das im Ernst? Vielleicht sollte ich das Treffen lieber absagen.“
Molly schüttelte den Kopf. „Nein, das wäre für alle eine große Enttäuschung, eine Einladung ins Moonstone bekommen sie nicht jeden Tag. Das war übrigens eine prima Idee von dir. Es gibt ihnen das Gefühl, dass sie persönlich an dem Projekt
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