Julia Collection Band 26
er hatte keine Ahnung, was mit ihm los war.
Nur eines war klar: Er konnte nicht untätig abwarten.
Kane wirbelte herum, stürmte durchs Haus und zur Hintertür hinaus. Reid hatte den einen und Charity den anderen Geländewagen genommen. Daher schwang er sich auf sein Motorrad.
Charity war viel zu müde für die schlimmste Fahrt ihres Lebens.
Sie hatte im Café von Mirrabrook eine Tasse Kaffee getrunken und Sandwiches gegessen, während der Arzt Vics gebrochenen Arm richtete. Zuerst hatte ihr das Koffein geholfen, doch jetzt wirkte sich der Stress des Tages aus. Sie hatte noch nicht die Hälfte der Rückfahrt hinter sich, zweifelte aber schon daran, dass sie es ganz schaffen würde.
Die Fahrt nach Mirrabrook war schlimm genug gewesen. Die Piste war völlig unberechenbar. Sand und Schlaglöcher wechselten sich ab, und tiefe Querrinnen lauerten an allen möglichen Stellen. Schlimmer noch war gewesen, dass der arme Vic jeden Stoß wie einen Messerstich im verletzten Arm gefühlt hatte. Wenigstens war er jetzt versorgt.
Charity hatte jedoch noch eine lange Fahrt vor sich, und es wurde immer dunkler. Die tief stehende Sonne jagte rötliche Strahlen durch die Bäume direkt in Charitys müde Augen und blendete sie.
Bis zur Southern Cross war es noch eine Stunde. Bevor sie die Farm erreichte, würde es bereits stockdunkel sein. Es gab keine Straßenbeleuchtung und keine Begrenzungspfosten, nur endloses Buschwerk und Bäume sowie die gewundene und trügerische Piste mit Spurrillen und Sandlöchern.
Wo war Kane? War er schon daheim? Hatte er ihren Zettel gefunden? Sie hatte nichts von dem unheimlichen Eindringling erwähnt, um nicht ängstlich dazustehen. Daher hatte sie nur geschrieben, dass Vic einen Unfall hatte.
Doch jetzt dachte sie wieder an das unheimliche Verhalten des Fremden. Dass Vic ausgerechnet zur selben Zeit einen Unfall erlitten hatte, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
Sie hatte Angst, große Angst. Sie war allein auf der einsamen Piste, die Nacht kam näher, und irgendwo da draußen im Busch lauerte der unheimliche Fremde. Ihr siebenter Sinn sagte ihr, dass dieser Mann etwas mit Tims Verschwinden zu tun hatte.
Konzentriere dich auf den Weg, befahl sie sich. Sie durfte nicht daran denken, dass Kane womöglich nicht da war, wenn sie die Farm erreichte.
Aus der Dunkelheit neben der Straße tauchte urplötzlich eine Gestalt auf. Charity schrie auf und machte eine Vollbremsung. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen ruckartig zum Stehen. Ein langbeiniges graues Känguru hüpfte unmittelbar vor ihr über die Straße und verschwand im Gebüsch auf der anderen Seite. Du meine Güte! Beinahe hätte sie es überfahren!
Sie zitterte am ganzen Körper, als sie den abgewürgten Motor wieder startete. Noch nie hatte sie sich so sehr nach einer Raststätte neben der Straße gesehnt.
Dann entdeckte sie in einiger Entfernung ein einzelnes Licht sich auf und ab bewegen und wusste nicht, ob sie sich freuen oder Angst haben sollte. War das ein Scheinwerfer oder eine Taschenlampe? Freund oder Feind?
Endlich hörte sie das typische Geräusch eines Motorrades. Kane? Konnte das Kane sein? Bitte, bitte …
Es war bereits so dunkel, dass sie den Fahrer erst erkannte, als das Motorrad neben ihr hielt. Sobald sie Kane erblickte, schluchzte sie auf vor Erleichterung, stieß die Tür auf und fiel fast hinaus auf die Piste.
Kane sprang vom Motorrad und fing sie auf.
Kaum hatte er die Arme um sie gelegt und sie an sich gedrückt, fühlte sie sich beschützt, erleichtert und glücklich. Sie war so dankbar, dass sie am liebsten geweint hätte. Man hätte meinen können, Kane hätte sie aus höchster Lebensgefahr gerettet und vom Rand einer Klippe zurückgerissen.
„Alles in Ordnung, Chaz?“, fragte er rau.
„Ja.“ Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich an seine breite Brust.
„Bin ich froh“, flüsterte er.
Sie fühlte seine warme Hand auf ihrem Kopf und hörte seinen Herzschlag am Ohr. Es reizte sie, die Wange an seinem Hemd zu reiben und zu spüren, wie der Stoff über seine Haut glitt. Wenn sie den Kopf hob, konnte sie mit den Lippen sogar die Stelle berühren, wo sein Hemd offen war …
Sie stellte sich vor, Kane würde sie an sich ziehen … sie küssen … Oh ja, ein Kuss wäre so …
Nein! Was fiel ihr ein? Sie wollte doch keinen Mann küssen, dem sie nicht vertraute. Darüber hinaus hatte er gar nicht die Absicht, sie zu küssen. Er wollte sich nur davon überzeugen, dass mit ihr alles in
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