Julia Collection Band 26
Ordnung war.
Enttäuscht verspannte sie sich, und Kane ließ sie los. Charity kehrte in die Wirklichkeit zurück. Sie stand mit Kane auf einer Piste mitten im Busch. Das letzte Tageslicht schwand, und Moskitos surrten um sie herum.
„Ich hätte beinahe ein Känguru überfahren“, sagte sie.
„Um diese Uhrzeit erkennt man sie kaum rechtzeitig.“ Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. „Danke, dass Sie sich um Vic gekümmert haben.“
„Ich habe es in die Stadt geschafft, aber …“
„Sie waren großartig, Chaz, einfach großartig“, versicherte er lächelnd, legte ihr die Hände an die Wangen und küsste sie auf die Stirn.
Da hatte sie nun den Kuss – einen Kuss, den er auch seiner Schwester Annie hätte geben können.
„Sie wirken erschöpft“, stellte er fest. „Keine Angst, ich fahre jetzt.“
„Was ist mit Ihrem Motorrad?“
„Das lade ich hinten auf den Wagen.“
Kraftvoll und mühelos löste Kane die hintere Klappe des Geländewagens, sodass sie eine Rampe bildete, stieg auf sein Motorrad und fuhr auf die Ladefläche hinauf. Während er das Motorrad sicherte, kletterte Charity bereits auf den Beifahrersitz.
Mittlerweile war es ganz dunkel geworden. Durch die Windschutzscheibe sah sie den Abendstern am Himmel funkeln. Kane setzte sich ans Steuer und fuhr los.
„Danke, dass Sie mir entgegengekommen sind“, sagte Charity.
Er murmelte etwas, das sie nicht verstand, und fragte: „Wie hat Vic sich denn den Arm gebrochen? Ist er gestürzt?“
„Ja, er wollte die Windmühle reparieren.“
„Die hat doch gestern noch einwandfrei funktioniert.“
„Das schon.“ Charity atmete tief durch. „Aber heute Vormittag war ein Fremder auf der Farm. Er hat endlos lange herumgeschnüffelt.“
Kane schlug hart mit der Hand auf das Lenkrad und fluchte. „Entschuldige, Charity, aber ich bin schrecklich wütend. Was ist passiert? Was war mit den Hunden? Warum haben sie ihn nicht verjagt?“
„Sie haben gar nicht besonders auf ihn reagiert.“
Daraufhin verfinsterte sich seine Miene noch mehr. „Dann kennen sie ihn von früher. Hat er mit Ihnen gesprochen?“
„Nein, er hat mich nicht bemerkt, weil ich mich in Annies Schrank versteckt hatte“, erklärte sie und lächelte trotz der ausgestandenen Angst.
„Braves Mädchen.“ Kane schwieg eine Weile. „Tut mir leid, dass Sie einen schweren Tag hatten. Ihr Einstand im Busch ist nicht gut ausgefallen.“
„Eine Feuertaufe?“
„Sie hätten es jedenfalls nicht besser machen können.“
Danach hielt er den Blick auf die Straße gerichtet und schwieg. Charity fragte ihn nicht nach dem Fremden. Sie war schrecklich müde. Im Moment war sie damit zufrieden, sicher im Wagen zu sitzen, die Piste entlangzurattern, den Mond hinter Wolken auftauchen zu sehen und die Baumstämme, die im Licht der Scheinwerfer kurz silbrig aufleuchteten und dann in der schwarzen Nacht verschwanden.
Ganz sicher fühlte sie sich allerdings nicht, solange Kane Geheimnisse vor ihr hatte, die sich auch auf Tim bezogen.
Vorhin hatte er sie an sich gedrückt. Täuschte sie sich, oder zeigte sein Verhalten, dass ihm etwas an ihr lag?
Sie seufzte. Was spielte das schon für eine Rolle? Früher oder später musste sie Kane festnageln und verlangen, dass er ihr alles erklärte. Sie musste mit ihm offen über den Fremden und über Tim sprechen. Nach der Fahrt in die Stadt hatte sie sich einen Plan ausgedacht, wie sie rigoros durchgreifen konnte und an wichtige Antworten herankam. Das hatte allerdings noch Zeit bis zum nächsten Tag.
Am folgenden Morgen sagte Charity beim Frühstück: „Wie heißt eigentlich dieser große schwarze Vogel, der mich jeden Morgen weckt?“
Was bin ich doch feige, schoss es ihr durch den Kopf. Sie durfte nicht länger um den heißen Brei herumreden, sondern musste Kane direkt fragen. Schließlich wollte sie wissen, was hier vor sich ging.
„Das ist wahrscheinlich ein Kurrawong“, sagte er.
„Kurrawong. Der Name stammt vermutlich von den Aborigines, oder?“
Er nickte. „Kookaburra, Känguru, Wallaby, Kurrawong – das alles sind Namen von den Ureinwohnern.“
Schweigend beendeten sie das Frühstück.
Was war los mit ihr? Warum wich sie dem entscheidenden Thema aus? Hatte sie vielleicht Angst, Kane könnte nicht der Mann sein, den sie in ihm sehen wollte?
Er stand auf und trug sein Geschirr zur Spüle. „Übrigens habe ich Vic vorgeschlagen, eine Zeit lang in der Stadt zu bleiben. Er ist nicht mehr der Jüngste und soll erst mal
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