Julia Collection Band 28
Jessica nahm ihre Spielzeuge und das Foto ihrer Mutter mit, kauerte sich neben Erins Beine und spielte weiter. „Ich besitze ein Diplom in der Betreuung kleiner Kinder mit Schwerpunkt auf traumatisierten Kindern.“
„Und wieso das, wenn ich fragen darf?“
„Ich komme aus einer großen Familie und habe fünf Brüder. Bryce, ein Sohn meines ältesten Bruders, ist mit zwei Jahren in einem Swimmingpool ertrunken.“ Erin strich Jessica behutsam durchs Haar. „Ich habe erlebt, wie sich das auf die anderen Kinder ausgewirkt hat. Damit meine ich Bryces Geschwister, Cousins und Cousinen. Und natürlich spreche ich auch von meinem Bruder und seiner Frau. Ich wollte irgendwie helfen.“
„Tut mir leid.“ Sam war überrascht, dass sie so offen darüber sprach. „Das muss schrecklich gewesen sein.“
„Das war es, aber ich habe mich später nicht mehr ganz so hilflos gefühlt, weil ich etwas unternehmen konnte“, erklärte sie betrübt. „Ich habe gelernt, mit meiner Nichte und meinen Neffen die Trauer aufzuarbeiten. Dabei habe ich festgestellt, dass mir das liegt.“ Sie richtete den Blick direkt auf Sam. „Ich gebe zu, dass ich bisher nicht als Kindermädchen gearbeitet habe, aber ich habe fünfzehn Nichten und Neffen und kümmere mich um sie. Ich liebe Kinder mehr als alles andere.“
Sam lächelte flüchtig. Schließlich hatte er nichts gegen Erin O’Grady, sondern war im Gegenteil völlig von ihr bezaubert. Er wollte sie nur nicht in seinem Haus haben, aus rein … körperlichen Gründen. Himmel, er war schließlich auch nur ein Mann! „Man merkt in der Tat, dass Sie mit Kindern gut umgehen können“, stellte er fest.
Erin nickte fröhlich. „Ich weiß, dass Sie lieber eine ältere Frau hätten, aber ich bin überzeugt, dass ich Ihrer Tochter helfen könnte – sofern Sie es natürlich erlauben.“
„Ich werde es mir überlegen.“ Sam stand auf, um höflich anzudeuten, dass das Gespräch beendet war. „Vielen Dank, und ich melde mich bei der Agentur.“
Erin seufzte leise, als wüsste sie bereits, dass er sie ablehnen würde, und war sichtlich enttäuscht.
„Jedenfalls haben Sie eine reizende Tochter“, stellte sie fest, stand auf und blickte bedauernd auf Jessica hinunter. „Hoffentlich finden Sie bald, wonach Sie suchen, Sam.“
Sie schüttelten sich die Hände. Erin wandte sich zur Tür, und Sam folgte ihr, als hinter ihnen Jessica aufschrie: „Nein!“
Erin und Sam drehten sich hastig um. Die kleine Jessica stand mit weit aufgerissenen Augen da und verkrampfte die Hände ineinander. Sam ging sofort neben ihr auf die Knie und hielt sie behutsam fest. „Was ist denn, Schätzchen?“
Jessica riss sich von ihm los, lief zu Erin und klammerte sich an ihr Bein. „Nicht gehen!“, schluchzte sie. „Spielen!“
Erin war sichtlich so betroffen wie Sam, sah ihn beschwörend an und strich Jessica übers Haar. „Ist ja gut, mein Engelchen, nicht weinen.“
„Nicht gehen!“
Scheinbar endlos lange sahen Sam und Erin einander an, ehe er einlenkte. In diesem Fall blieb ihm wohl keine andere Wahl. Jessica hatte sich ihr Kindermädchen selbst ausgesucht. Was vielleicht das Beste war. Schließlich ging es um seine Tochter. Und nicht um seine Hormone.
„Nun ja“, meinte er schließlich. „Wenn ich ehrlich bin, würde ich mich nicht für Sie entscheiden.“
„Ich weiß“, bestätigte Erin. „Sie haben sich eine Art Großmutter gewünscht. Aber bedenken Sie, dass die besten Großmütter zuerst Mütter waren, und davor waren sie junge Frauen, die Kinder geliebt haben – ungefähr wie ich. Man muss nicht alt sein, um Mitgefühl und Fürsorge zu zeigen.“
„Das ist mir klar“, bestätigte er und lächelte verlegen. „Dann müssen wir jetzt offenbar nur noch eine Sache klären.“
„Und was?“, fragte Erin.
„Sie rufen in der Agentur an, dass Sie die Stelle haben. Das heißt, sofern Sie noch interessiert sind.“
Erin lächelte voll Wärme und wandte sich an Jessica. „Jess, Schatz, soll ich bei euch wohnen und mich um dich kümmern?“
„Nicht gehen“, antwortete Jessica.
„Also?“, fragte Sam.
„Ach, Sam, natürlich will ich die Stelle.“
Sie reichte ihm erneut die Hand, um die Abmachung zu besiegeln – und allein schon die flüchtige Berührung brachte ihn ziemlich aus dem Gleichgewicht.
„Besprechen wir gleich die Einzelheiten?“, fragte er. „Ich möchte, dass Sie so bald wie möglich hier einziehen.“
„Gerne. Ich kann schon morgen zu Ihnen kommen und mich
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