Julia Collection Band 51
das immer wieder in Erinnerung rufen müssen: Sie war nur jemand, der einem Freund einen Gefallen tat.
Und doch – irgendwo in ihrem Inneren ließ sich der schwach glimmende Hoffnungsfunke trotz aller Vernunft und allem Realitätsbewusstsein nicht gänzlich ersticken. Er würde sie heute Abend beim Dinner sehen. Er würde ihr bei Kerzenschein über den Tisch hinweg in die Augen sehen, und ihm würde endlich bewusst werden, dass er die letzten sechs Monate völlig blind gewesen sein musste …
„Ich muss dringend mehr unter die Leute gehen!“, murmelte sie vor sich hin. Sie zog ihren Blazer aus und knöpfte die beiden obersten Knöpfe ihrer gestärkten Bluse auf. Trotz der Klimaanlage, die das gesamte Gebäude angenehm kühl hielt, war sie völlig verschwitzt.
Sie würde sich auf diese Verabredungen einlassen, die ihre Arbeitskolleginnen ständig für sie organisieren wollten. Sie würde sich zwingen, nicht mehr jede Nacht von Sam zu träumen. Sie würde sich zusammennehmen und nicht mehr jede freie Minute an ihn denken. Sie würde zu den Abenden gehen, die die Kirchengemeinde für alleinstehende Frauen veranstaltete. Sie würde sich mit diesen Männern treffen, die ihre Mutter ständig von Frankreich aus in die Vereinigten Staaten herüberschickte …
Sie würde Sam vergessen. Sie wusste, dass sie es schaffen würde. Irgendwie.
Nachdem wir diese Verlobung gelöst haben, dachte sie und blickte auf den funkelnden Diamantring an ihrem Finger.
„Ich hatte noch einigen Papierkram zu erledigen, deshalb komme ich so spät.“ Patricia trat an den Tisch in der Kantine und setzte sich auf den Stuhl, den ihre Kolleginnen für sie frei gehalten hatten.
„Gibt es was Neues über den Dritten?“ Sophie schüttelte ihre blonden Locken so lässig, als wäre diese Frage völlig belanglos.
Dabei wusste jede hier von ihnen, dass Sophia fest entschlossen war, die Ehefrau des unbekannten Sohnes von Rex II zu werden. Der Sohn, der in knapp einem Monat die Leitung der „Barrington Corporation“ übernehmen würde. Niemand hatte ihn bisher gesehen, noch nicht einmal Sophia, die bereits für die Stelle als seine Assistentin vorgesehen war.
„Nein, absolut nichts. Aber was ist denn nun mit Mike?“, fragte Patricia, während sie ihr mitgebrachtes Mittagessen auspackte und Olivia ein paar selbst gebackene Kekse hinschob. Olivia hatte einen ausgemachten Appetit auf Süßes entwickelt, seit sie schwanger war. „Er ist wirklich hinreißend.“
„Keine Chance. Wenn jemand schon so lange wie er im Postraum arbeitet, heißt das doch, dass er keinen Ehrgeiz hat. Und ich will etwas aus meinem Leben machen. Ich will ein Haus und Kinder und einen Mann. Einen Mann in gesicherter Position, charmant, attraktiv, mit Familiensinn.“
„Einen Mann wie den Dritten?“, neckte Rachel aus der Buchhaltung sie.
Alle lachten, aber Sophia war gar nicht belustigt.
„Ihr werdet euch noch alle wundern. In sechs Monaten trage ich einen Ring am Finger. Von Rex III!“, sagte sie im Brustton der Überzeugung.
„Apropos Ring am Finger“, schaltete sich nun Olivia ein. „Seht euch mal dieses Schmuckstück hier an.“ Sie griff Patricias Hand und hielt sie für alle sichtbar hoch. „Das sind mindestens vier Karat.“
Die Frauen lehnten sich neugierig vor.
„Viereinhalb, um genau zu sein“, sagte Patricia leise.
„Zirkonia?“, fragte Molly aus der Werbeabteilung.
„Nein, ein echter Diamant“, erwiderte Patricia schlicht.
Alle am Tisch schnappten nach Luft.
„Ich wusste gar nicht, dass normale Menschen so etwas auch kaufen können. Ich dachte immer, solche Ringe würden nur für Filmstars oder den Adel gemacht.“
Innerlich zitterte Patricia. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo sie ihre Freundinnen anlügen musste. Sie hasste es. Deshalb war sie auch so spät zum Lunch gekommen – es hatte keine dringend zu erledigende Arbeit gegeben. Sie hatte zwanzig Minuten lang in ihrem Büro gesessen und sich auf diesen Moment vorbereitet.
„Ich habe euch etwas zu sagen“, begann sie unsicher und leckte sich über die trockenen Lippen.
Die fünf Frauen am Tisch schauten erwartungsvoll zu ihr hin.
„Ich habe mich verlobt.“
Die Stille war erdrückend. Hatten etwa alle gemerkt, dass sie log? Würden sie wütend auf sie sein und ihr die Freundschaft aufkündigen? Würde sie jetzt aufstehen und sich an einen anderen Tisch setzen müssen?
Olivia war die erste, die sich aus der Erstarrung löste. Sie schrie so laut auf, dass Patricia
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