Julia Collection Band 55 (German Edition)
Touren in den Sonnenuntergang anbieten. Sie braucht nur einen neuen, pfiffigen Anstrich. Daher dachte ich, dass du die Arbeit hier unterbrichst und dich nächste Woche an die Jacht machst. Wenn du nichts dagegen hast.“
Ned zögerte und öffnete erst einmal die Bierdose. „Wie du willst.“ Er lehnte sich an die Küchentheke und grinste. „Du hast nicht zufällig Angst davor, dass ich damit beginne, den Boden abzuschleifen, oder?“
Craig lachte leise. „Na ja, ich freue mich nicht gerade darauf. Deshalb werde ich mich wohl für ein paar Nächte ausquartieren.“
„Gute Idee. Hier bleiben kannst du jedenfalls nicht. Es entwickeln sich zu viele Dämpfe. Aber du solltest das Abschleifen nicht weiter aufschieben, denn der Rest des Hauses ist so gut wie fertig.“
„Schon, aber ich brauche dich bei dem neuen Boot. Ich möchte, dass es fertig ist, ehe im August die Saison beginnt. Du kannst dir einen der Jungs als Hilfe mitnehmen.“
„Was immer du sagst, Boss.“
Wahrscheinlich glaubte Ned, das sei nur eine Ausrede, womit er auch nicht ganz unrecht hatte. Craig hatte sich daran gewöhnt, in dem großen Zimmer mit den Verandatüren zu nächtigen, die auf den Lanai hinausführten. Er liebte es, praktisch im Freien zu schlafen, wenn eine leichte Brise die Geräusche und Gerüche des nahen Ozeans hinüberwehte. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, sich ein Traumhaus zuzulegen, aber nun, da er eines besaß, wollte er es nicht wieder verlassen – Renovierung hin oder her.
Das Haus war ursprünglich um 1940 von einem Kaffeepflanzer erbaut worden. Mit seinen großen weißen Säulen vor dem Eingang wirkte es wie ein Herrenhaus. Zu erreichen war es lediglich über eine kleine, gewundene Privatstraße, die recht versteckt lag. Craig mochte das, denn allmählich gefiel ihm die Einsamkeit.
Nach dem College war er aus Chicago nach Hawaii geflohen und hatte eine Zeit lang von dem Geld gelebt, das seine Eltern ihm zu seinem Abschluss geschenkt hatten. Er war von Insel zu Insel gezogen, hatte das Strandleben und die Partys genossen, sich mit Bikinischönheiten vergnügt und viele Freundschaften geschlossen. Nachdem das Geld nach anderthalb Jahren verbraucht gewesen war, hatte er begonnen, Schnorchelkurse zu geben, und von der Hand in den Mund gelebt. Der Katamaran, den er gekauft hatte, war alt und heruntergekommen gewesen, aber dann hatte er Ned kennengelernt, einen einheimischen Handwerker. Ned hatte den Katamaran komplett überholt, und schon bald hatte Craig sich vor Aufträgen nicht mehr retten können. Also hatte er einen weiteren Katamaran gekauft und einen Freund angestellt. Nachdem er nun seit gut einem Jahrzehnt auf Hawaii lebte, besaß er in fast jeder Bucht von Big Island ein bis zwei Boote – ebenso auf Oahu, Maui und Kauai.
Vor ungefähr zwei Jahren hatte sein Steuerberater ihm mitgeteilt, dass er, Craig, mittlerweile mehrfacher Millionär sei. Craig, noch leicht verkatert von der Party, die er in der letzten Nacht besucht hatte, hatte es zunächst nicht glauben wollen.
„Was meinst du damit?“, hatte er nachgefragt.
Sein Steuerberater hatte ihm die Sache vorgerechnet, und er hätte über das Ergebnis glücklich sein sollen, war es aber nicht gewesen.
Ein Millionär war genau das, was sein Vater aus ihm hatte machen wollen.
Als Teenager und auch noch lange als Twen war Craig sehr rebellisch gewesen und hatte alles abgelehnt, was sein willensstarker Vater von ihm gefordert hatte. Da er der Älteste war, hatte Jasper ihn zu seinem Nachfolger in der Firma auserkoren.
„Kommt nicht infrage“, war Craigs Antwort gewesen.
Er wollte sein eigenes Leben führen und keine Kopie seines Vaters werden. Er hatte das College überhaupt nur deshalb beendet, um seiner Mutter eine Freude zu machen, und war danach sofort an die Strände von Hawaii gereist. Seither war er nicht mehr zu Hause gewesen, mit einer Ausnahme – der Hochzeit seines Bruders. Erfolg hatte ihn nie interessiert, weil er nicht wie sein Vater denken wollte. Jetzt, da er Millionär geworden war, hoffte er, dass sich das nicht herumsprechen würde. Nur sein Steuerberater und gute Freunde wie Ned wussten Bescheid. Allerdings war seine Firma, die „Sunshine Snorkeling Cruises“, so gewachsen, dass sie mittlerweile als Geheimtipp galt. Craig selbst gab sich immer noch lässig und zu jedem Spaß bereit, ging aber nicht mehr auf alle Partys. Dafür trug er nun zu viel Verantwortung.
Manchmal beunruhigten ihn diese Veränderungen. Dann fragte
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