Julia Collection Band 55 (German Edition)
an sich.
Sie erstarrte in seiner Umarmung. Es war einer dieser unglaublichen Momente, in denen die Zeit stillzustehen schien. Er hatte davon gehört, aber es war ihm noch niemals widerfahren, auch nicht mit Delphine. Ihm stockte der Atem.
„Alles in Ordnung.“ Sie klang ganz unbefangen.
„Entschuldige, dass ich im Weg stand“, murmelte er, als er sie losließ.
„Schon gut.“ Sie machte mit ihrer Arbeit weiter, als sei nichts geschehen, aber sie sah ihn auch nicht an.
Doch Charles war sich sehr wohl bewusst, dass etwas Bedeutendes geschehen war. Etwas, das nicht rückgängig zu machen war. Aber das beunruhigte Charles nicht, denn alles in ihm drängte ihn weiterzumachen. Und zwar schnell.
Zur Pause eilte Jennifer in den Umkleideraum. Mit zitternden Fingern zog sie sich das trägerlose rote Samtkleid über. Seit Charles sie in seinen Armen gehalten hatte, war sie völlig verwirrt. Da war etwas zwischen ihnen. Eine eigenartige Spannung lag in der Luft. Hatte er sie absichtlich in seinen Armen gehalten? Sie entschied sich dafür, so zu tun, als hätte sie nichts gemerkt.
Fühlte Charles sich von ihr angezogen? Sie war so gar nicht wie seine früheren Freundinnen. Dennoch hatte sie ihn öfters dabei überrascht, wie er sie beobachtete, wenn sie auf dem Bett lag. Wenn sie seinen Blick erwiderte, hatte er schnell weggesehen. Und nun sein eigenartiges Verhalten beim Tannenbaumschmücken …
Vielleicht irrte sie sich ja. Hatte er nicht selbst gesagt, sie sei für ihn wie eine Schwester?
Und wenn sie sich nun nicht geirrt hatte? Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sollte sie seine Gefühle erwidern? Wie stand sie überhaupt zu ihm? Sie hatte ihn niemals als möglichen Liebhaber gesehen.
Liebhaber? Wieso hatte sie nicht in Begriffen wie „Freund“ oder „neuer Mann in ihrem Leben“ an ihn gedacht? Sie musste sich doch erst einmal davon erholen, von Peter verlassen worden zu sein. War es nicht zu früh für einen neuen Mann in ihrem Leben? Ganz besonders, wenn dieser Mann Charles war. Oder hatte sie ihn unterbewusst schon länger begehrt?
Die Frage versetzte sie so in Panik, dass sie sie einfach verdrängte. Es war einfacher, daran zu glauben, dass sie sich geirrt hatte.
Nachdem sie ihr Make-up aufgefrischt hatte, begab sie sich zurück ins Schaufenster. Charles war schon da. Er trug einen Smoking und hängte im Licht der elektrischen Kerzen den Schmuck auf. Die Leute auf dem Bürgersteig beobachteten ihn interessiert. Ein junger Vater filmte seine kleinen Kinder vor dem Schaufenster mit einer Videokamera.
Sie versuchte, sich Charles gegenüber ganz unbefangen zu verhalten, aber bei der Art und Weise, wie er sie ansah, fiel ihr dies nicht leicht. Seine blauen Augen leuchteten, und er schien in nachdenklicher Stimmung zu sein. Dabei sah er unglaublich gut aus. Der Smoking unterstrich seine schlanke, athletische Figur, sein blondes Haar glänzte, seine Augen blitzten … Was ging hier nur vor? Es war, als sähe sie ihn zum ersten Mal, und es gefiel ihr, was sie sah. Und ihm schien zu gefallen, was er erblickte. Ihr Herz begann heftiger zu schlagen. Er war ihr Arbeitgeber, ihr Freund. Wieso schwirrte ihr nur so der Kopf?
„Toll schaust du aus“, sagte er leise, als sie zu ihm kam.
„Du aber auch.“ Sie lachte vor Nervosität kurz auf.
„Ich habe schon mal mit dem Schmücken angefangen.“ Er konnte einfach seine Augen nicht von ihr nehmen.
„Das sehe ich.“
„Und zu einem richtigen Weihnachtsfest gehört noch etwas.“
„Und das wäre?“, fragte sie verdutzt.
Er zeigte auf den Türrahmen.
Jennifers Puls begann zu rasen. „Ein Mistelzweig!“
„Ja.“ Charles kam langsam auf sie zu. „Du weißt, was wir jetzt tun müssen.“
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Er würde doch nicht wirklich …
„Aber hier kann uns jeder sehen.“
„Ja und sie erwarten von uns, diesem alten Brauch zu folgen. Und wir wollen sie doch nicht enttäuschen, oder?“ Er stand jetzt ganz nah vor ihr.
Sie konnte die Wärme seines Körpers fühlen und verspürte den Drang, sich an ihn zu lehnen. Aber sie widerstand der Versuchung. „Ich glaube, dass wäre doch etwas zu realistisch.“
„Ich bin der Direktor des Kaufhauses, und ich treffe hier die Entscheidungen“, flüsterte er, sein Gesicht dicht neben ihrem. „Ein Kuss unter dem Mistelzweig in aller Öffentlichkeit ist doch völlig harmlos.“
Seine Stimme und seine blauen Augen hielten sie in seinem Bann. Gerade wollte sie einwenden, dass
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