Julia Collection Band 55 (German Edition)
diesen großen grünen Augen an, als ob ich es nicht wagen dürfte, dich zu feuern. Du behandelst mich nicht so ehrfürchtig wie all die anderen. Wieso?“
„Ich war dabei, als dir der Hosenboden geplatzt ist. Schon vergessen?“
„Und wer trug daran die Schuld? Ich sollte dir für dein freches Benehmen wenigstens einen Verweis erteilen. Aber ich sehe mich nicht dazu imstande.“
Jennifer verbeugte sich überschwänglich vor ihm und grinste. „Du hast jedes Recht, mir einen Verweis zu erteilen. Ich widerspreche dir wirklich oft.“ Dabei erinnerte sie sich plötzlich daran, dass sein Vater sie ja aufgefordert hatte, Charles Kontra zu geben.
„Das kommt von unserer gemeinsamen Zeit in der Haushaltswarenabteilung“, mutmaßte er.
„Nein. Für mich warst du immer der Sohn des Besitzers, auch wenn du dich nicht so verhalten hast.“
„Und letzte Nacht haben wir zusammen eine Krise überstehen müssen, die uns beide betroffen hat. Wir haben so etwas wie eine gemeinsame Geschichte, und das wirkt sich auch auf unser Arbeitsverhältnis aus. Selbst wenn ich es wirklich wollte, würde es mir schwerfallen, dich zu entlassen. In der Haushaltswarenabteilung bist du unentbehrlich, und mein Vater hält so große Stücke auf dich, dass er mich umbringen würde, wenn ich dich gehen ließe. Und was für mich am meisten zählt: Wenn du nicht mehr da wärst, müsste ich mit jemand anderes ins Schaufenster. Und das würde mir gar nicht passen.“
Jennifer fragte sich, wieso er dies immer wieder so besonders herausstellte. Er schien sie als eine Freundin zu betrachten, der er die Wahrheit sagen konnte. Jennifer entspannte sich. „Dann freut es mich, dass ich nicht gekündigt bin.“
Sie schluckte und zögerte ein wenig. „Peter hat mich heute Morgen angerufen.“
Charles fuhr herum. „Was hat er gesagt?“
„Er wollte mir nur mitteilen, dass er und Delphine beschlossen haben, ihren Urlaub gemeinsam in ihrem Ferienhaus am Lake Tahoe zu verbringen. Er hat keine Vorlesungen mehr, und sie brechen heute Abend auf.“
Charles lachte trocken. „Da wollte sie eigentlich mit mir hinfahren, als mir die Sache mit dem Schaufenster dazwischenkam. Ich bin wohl einfach zu ersetzen. Aber ich verstehe Delphine immer noch nicht. Sagte er etwas über sie?“
„Nur, dass es ihm leidtäte, aber in dem Augenblick, in dem er sie gesehen hatte, war es um ihn geschehen.“
„Geschehen?“
„Das waren seine Worte. Er sagte, er hätte noch niemals jemanden wie sie getroffen. Dann hat er noch etwas von Selbstfindung gestammelt und davon, dass er seinem Leben einen neuen Sinn geben wolle.“ Jennifer konnte nicht weitersprechen.
„Erzähl mehr.“
„Er sagte, er sei von den Wogen der Ekstase weggespült worden. Wahrscheinlich wollte er damit beschreiben, was sie beide heute Nacht gemacht haben.“
„Du liebe Güte! Und ihr ging es genauso?“
„Wahrscheinlich. Immerhin hat sie ihn an den Lake Tahoe eingeladen.“
Charles stand da wie betäubt.
„Ist sie eine gute Liebhaberin?“, fragte Jennifer in einem plötzlichen Anfall von Neugier.
Charles starrte sie mit hochrotem Kopf an. „Was ist das denn für eine Frage?“
Es war ihr plötzlich sehr peinlich. Eine solche Frage stellte man seinem Arbeitgeber nicht. „Tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.“
Charles lachte leise. „Oh, ich kann mir das schon denken. Du möchtest wissen, womit Delphine Peter an sich gekettet hat. Am Anfang war unsere Beziehung recht feurig, aber später hatte ich den Eindruck, dass wir beide immer zu beschäftigt waren.“ Er unterbrach sich kurz, als ob ihm erst jetzt etwas eingefallen wäre. „Um deine Frage zu beantworten, ja, sie kann schon recht heißblütig sein, wenn sie will. Aber so wie ich sie einschätze, wird sie über kurz oder lang das Interesse an Peter verlieren.“
„Das hoffe ich aber nicht für ihn.“
„Warum?“
„Ich möchte nur, dass er glücklich ist. Jetzt hat er einmal die große Leidenschaft erlebt, und ich weiß nicht, was er tut, wenn sie ihm wieder weggenommen wird.“
„Du hast es in letzter Zeit öfter mit der großen Leidenschaft. Ich habe dir schon gestern gesagt, dass das nicht du bist. Du bist viel zu bodenständig.“
„Vielleicht will ich ja nicht mehr so sein.“
„Ich mache mir deinetwegen wirklich Sorgen“, sagte er und öffnete die Tür zum Schaufenster.
Jennifer ging zum Kühlschrank und holte eine Tüte Milch heraus. „Du hast mir doch immer vorgeworfen, dass ich
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