Julia Collection Band 55 (German Edition)
genau hier lag auch das Problem. Jennifer gehörte nicht zu den Frauen, die spontane Neigungen einfach auslebten. Und vielleicht war das in dieser kniffligen Situation auch das Richtige.
„Wir sollten uns jetzt nach Schlafmöglichkeiten umschauen“, änderte er das Thema. „Wir sollten wirklich besser in zwei verschiedenen Etagen nächtigen. Die Bettenabteilung ist im dritten Stock und die Möbelabteilung im Achten. Das ist weit genug auseinander.“
Sie schaute ihn ängstlich an. „Das wäre bestimmt vernünftig, aber ich fürchte mich in dem riesigen Kaufhaus. Es ist so unheimlich.“
„Okay, dann eben getrennte Betten. Dazu bietet sich der achte Stock an.“
„Mir sind im dritten Stock zwei Betten aufgefallen, die dort als Ausstellungsstücke stehen, komplett mit Bettzeug. Ich habe mir immer vorgestellt, wie es wäre, darin zu schlafen. Und sie stehen weit genug auseinander.“
„Klingt gut“, stimmte Charles zu. „Aber lass uns die Reste des Essens mitnehmen, falls wir später hungrig werden sollten.“
„Gut.“ Sie schnappte sich die Champagnerflasche und die beiden Pappbecher. „Nimmst du das Essen?“
„Natürlich.“ Über die abgeschalteten Rolltreppen machten sie sich auf den Weg die verbleibenden sechs Stockwerke hinunter. Als sie endlich in der Bettenabteilung ankamen, ging Jennifer jedoch nicht zu den zwei Einzelbetten, die sie vorhin erwähnt hatte, sondern ließ sich sofort auf ein riesiges Doppelbett fallen, das ebenfalls komplett bezogen war. Sie wippte auf und ab, um die Matratze zu testen.
„Sehr bequem. Wenn es in Ordnung ist, nehme ich dieses hier.“
„Aber sicher.“ Er legte ihren Proviant auf einen Nachttisch und schenkte Champagner nach. „Hier, als Schlaftrunk. Möchtest du noch etwas zu essen?“
„Danke, ich bin satt.“ Mit einer Hand fuhr sie über das Bett. „Genauso habe ich mir das immer vorgestellt.“
Charles setzte sich kurz neben sie. „Dann wird wenigstens ein Traum wahr.“
Jennifer blickte bedrückt in ihren Becher.
„Entschuldige. Ich wollte nicht wieder damit anfangen.“ Sie wirkte so verloren und müde, dass er sich fragte, woran sie gerade dachte.
„Oh, Charles“, flüsterte sie.
„Was ist mit dir?“ Er stellte seinen Becher ab und nahm ihre Hand. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“
„Verhalte ich mich schon wie eine alte Jungfer?“
„Aber nein. Nur vernünftig.“
Jennifer nahm noch einen Schluck Champagner und brach plötzlich in Tränen aus.
Charles war mit seinem Latein am Ende. „Warum weinst du denn jetzt?“
„Meine Vernunft bringt mich nicht mehr weiter. Ich komme mir vor wie in einer Sackgasse.“
„Jennifer.“ Er drückte zärtlich ihre Hand. „Du bist doch gerade mal Mitte zwanzig. Es werden sich dir noch so viele Möglichkeiten im Leben bieten.“
„Ich werde bald dreißig und habe gar nichts im Leben erreicht. Das College habe ich abgebrochen. Peter hat mich verlassen. Ich habe mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, was ich wirklich will. Ich werde auch keine Affäre mit dir haben …“ Sie musste schniefen.
„Du hast noch vier Jahre Zeit, bis du dreißig wirst! Du bist gerade mal sechsundzwanzig.“
„Die Zeit vergeht so schnell.“ Sie wischte sich eine Träne von der Wange.
Charles kam ein Verdacht. „Hast du vielleicht ein wenig zu viel Champagner getrunken?“
„Keine Ahnung. Warum fragst du?“
„Wie viel Wein kannst du trinken, bevor du einen Schwips bekommst?“
„Ich würde sagen, ein halbes Glas.“
Charles lächelte. „Du hast jetzt fast das Doppelte intus.“ Er nahm ihr den Becher aus der Hand.
„Vielleicht bin ich ja etwas angeheitert. Na und? Wen interessiert das?“
„Mich. Du solltest jetzt wirklich schlafen. Ich lege mich in das andere Bett. Es ist ganz in der Nähe, also brauchst du keine Angst zu haben.“
Sie blickte ihn voller Traurigkeit an. „Du verlässt mich auch.“
Das brachte ihn aus dem Konzept. „Aber das war doch deine Idee, in getrennten Betten zu schlafen. Ich bin ja nicht weit weg.“
Sie nickte. „So habe ich das gewollt. Jetzt gehst du, und unsere kleine Romanze ist zu Ende.“
„Hast du es dir anders überlegt?“ Er war wirklich verdutzt.
„Dafür bin ich viel zu vernünftig!“
„Dann gute Nacht.“ Er erhob sich von dem Bett. „Schlaf schön.“ Er beugte sich hinunter und küsste sie auf die Stirn.
Wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht. „Ich bin so verdammt vernünftig, dass mein Leben nur
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