Julia Collection Band 61 (German Edition)
frühsommerliche Regen einsetzte.
Sie verfügte zwar über eine lebhafte Vorstellungskraft, aber ihr war klar, dass nicht mal Orkanschauer die Macht hätten, all die Erinnerungen wegzuwaschen, die sie plagten. Sie wünschte sich so sehr, die Dinge wären anders verlaufen, wünschte sich, sie hätte in ihrem Leben andere Entscheidungen getroffen. Sie wünschte, sie könnte das Rad der Zeit zurückdrehen.
Jetzt, da Chase zurückgekehrt war, musste sie sich einigen dieser falschen Entscheidungen stellen. Er würde nicht zulassen, dass sie ihnen noch länger auswich. Aber es gab ein grausames Geheimnis, das sie unter keinen Umständen preisgeben würde. Niemals.
„Ich fasse es nicht, dass die Mühle jetzt Chase Severin gehört.“ Shelby Rousseau, Kates älteste und beste Freundin, runzelte kurz die Stirn und hob dann lächelnd ihre kleine Tochter in den Hochstuhl.
„Ich fürchte, es ist so.“ Kate wusste nicht, wie sie ihrer Freundin auch noch den Rest beibringen sollte. Zudem hoffte sie immer noch auf einen Aufschub.
Sie setzte sich an den Küchentisch und sah Shelby dabei zu, wie sie das Abendessen vorbereitete. Verzweifelt suchte sie nach Worten. Wie sollte sie ihrer Freundin erzählen, dass ihr Heim verloren war? Dass die junge, alleinerziehende Mutter bald aus dem Gästehaus, in dem sie mit ihrer Tochter lebte, vertrieben werden würde?
Dass sie selbst bald heimatlos sein würde, war schon schlimm genug, aber der Gedanke, Shelby und ihre kleine Tochter auf die Straße werfen zu müssen, war grausam.
Ihre Freundin war die beste Mutter, die man sich denken konnte. Shelby liebte ihr Kind über alles und würde alles tun, um ihrer Tochter Geborgenheit bieten zu können.
„Bist du so lieb und gibst Madeleine einen Cracker? Irgendwie müssen wir die Zeit bis zum Essen überbrücken“, bat Shelby Kate, während sie am Herd hantierte.
Kate griff nach einem Cracker und schob ihn der Kleinen in die Hand. Madeleine strahlte sie mit ihrem zahnlosen Lächeln an.
Ihre Wangen leuchteten rosig und gesund, und sie schaute mit neugierigen blauen Augen interessiert umher. Die Kleine hatte große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, aber ihr Anblick weckte in Kate auch Erinnerungen an ein anderes Baby. Ein Baby, dessen Lächeln sie niemals sehen durfte.
Sosehr Kate Madeleine auch liebte, es schmerzte sie immer ein wenig, in ihrer Nähe zu sein. Wie an den meisten anderen Tagen, ignorierte sie auch jetzt diesen Schmerz.
„Wie läuft dein Cateringservice?“
Shelby stellte das Essen auf den Tisch und setzte sich. „In letzter Zeit ganz gut. Nachdem ich diese Party in New Iberia ausgerichtet hatte, kamen ein paar neue Anfragen.“ Sie goss sich Eistee ein. „Ich weiß allerdings nicht, wie es weitergehen wird, wenn die Mühle tatsächlich geschlossen wird.“ Statt nach der Gabel zu greifen, legte Shelby ihre Hand auf Kates. „Aber ich mache mir viel mehr Sorgen um dich. Was willst du tun, wenn Chase die Mühle schließt?“
Gute Frage, aber keine, über die Kate im Moment nachdenken wollte.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich werde überleben. Ich kann eine Menge Dinge tun. Ich mache mir nur Sorgen um den Ort. Hier in der Gegend gibt es nicht viel, womit die Leute sich ihren Lebensunterhalt verdienen können. Aber vielleicht findet Chase ja einen Weg, die Mühle zu erhalten.“
Sie zögerte eine Sekunde, dann fuhr sie fort: „Ich verstehe nur nicht, warum er sie überhaupt gekauft hat. Die Schuldenlast ist enorm. Wenn er tatsächlich Geld investieren sollte, wäre es fast so, als würde er es zum Fenster hinauswerfen.“
Shelby lächelte sie an. „Vielleicht hat er sie deinetwegen gekauft, und vielleicht ist er auch deinetwegen zurückgekommen.“
Kate schüttelte so vehement den Kopf, dass ein paar Haarsträhnen sich aus der Spange lösten und ihr ins Gesicht fielen. „Niemals! Du hast seinen Blick nicht gesehen, als er vorhin in mein Büro kam. Es lag so viel … Hass darin. So viel Verbitterung.“
„Aber es muss einen Grund geben, weshalb er in diese Kleinstadt zurückgekehrt ist“, sagte Shelby, während sie ihre Tochter fütterte. „Die Gerüchte besagen, dass er jetzt richtig reich ist. Er fährt einen Jaguar. Besitzt Häuser in St. Thomas und Vail. Hat er sich alles am Spieltisch verdient, sagt man.“
„Glaub nicht alles, was du hörst.“
„Weißt du etwas anderes? Wie er wirklich zu seinem Geld gekommen ist?“
„Nein“, murmelte Kate. „Aber ich weiß, dass die Gerüchte über den Grund,
Weitere Kostenlose Bücher