Julia Collection Band 61 (German Edition)
vorbeiglitt und in Richtung Meer verschwand. Es war genau diese Art von Schönheit, die sie am meisten vermissen würde, wenn sie Bayou City verlassen und in der Großstadt nach Arbeit suchen müsste.
Sie senkte den Kopf und ging weiter den alten Pfad entlang, der von Live Oak Hall zur Mühle führte. Wie oft würde sie diesen Weg noch machen dürfen? Wie oft würde sie abends noch auf diesem Weg zurückkehren und dem spektakulären Sonnenuntergang zusehen können?
Alles hing von Chase ab. Schon ihr Vater hatte nie zugelassen, dass sie ihren eigenen Weg ging, ihr Schicksal selbst in die Hand nahm. Jetzt sah es so aus, als würde ihr dasselbe mit Chase passieren.
Als sie sich der Mühle näherte, straffte sie die gebeugten Schultern. Es war eine sehr lange Nacht gewesen. Sie hatte sich umhergewälzt und davon geträumt, von Chase in die Arme genommen und von ihm gestreichelt zu werden.
Sie nahm die Hände aus den Jackentaschen und sah auf ihren verbundenen Finger. Gleichzeitig dachte sie an das köstlich sinnliche Gefühl, das sie empfunden hatte, als Chase ihren Finger mit seinen Lippen umschlossen hatte. Selbst jetzt erschauerte sie noch bei dem Gedanken daran.
Sollte Chase es ernst damit sein, dass sie seine Geliebte werden musste, damit er Shelby im Gästehaus wohnen ließe, würde sie glücklich die Chance ergreifen. Es gab ohnehin kaum etwas, womit sie das, was sie ihm vor so langer Zeit angetan hatte, wiedergutmachen konnte.
Sie würde keinen Anteil daran haben, sollte er die Mühle erfolgreich führen und glücklich in Live Oak Hall leben. Das waren Dinge, die er selbst erreichen musste. Er verdiente es, dies und weit mehr von den Menschen in dieser Stadt zu bekommen, die ihn im Stich gelassen hatten, als er sie am dringendsten gebraucht hatte.
Wenn er sie oder ihren Körper wirklich noch immer wollte, würde sie sich ihm hingeben. Sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie ihm niemals gestehen würde, dass er auch ihr Herz bekommen könnte … dass er es schon besaß, um genau zu sein, denn das würde ihm zu viel Macht geben. Ihnen beiden war keine gemeinsame Zukunft vergönnt, eine Tatsache, die sie schon vor langer Zeit bedauernd akzeptiert hatte.
Kate betrat das Büro in der Mühle, zog ihre Jacke aus und lauschte, ob Chase bereits da war. Sie hörte ein leises Weinen, und als sie um die Ecke trat, sah sie ihre Sekretärin schniefend an ihrem Schreibtisch sitzen.
„Rose? Was ist los?“ Kate ging zu ihr und tätschelte ihr den Rücken.
„Er wird uns absichtlich ruinieren.“ Rose schluchzte erneut. „Niemand von uns wird mehr Arbeit haben. Wir werden alle unser Heim verlassen müssen.“
„Nicht doch, Liebes. Wie kommst du denn bloß darauf. Ist Chase schon hier?“
Rose schüttelte den Kopf und sah auf. „Nein, noch nicht. Alle in der Stadt sagen das. Er ist gekommen, um Rache zu nehmen. Weil er als Kind so schlecht behandelt worden ist.“
Kate legte einen Arm um die Schultern ihrer Sekretärin. „Unsinn, Rose. Du wohnst doch schon dein ganzes Leben hier und kennst die Menschen. Ich verstehe nicht, wieso du diesen Klatsch auf einmal ernst nimmst.“
Außerdem, dachte Kate grimmig, sind mein Vater und ich die einzigen Menschen, die ihm wirklich genug Gründe für Hass geliefert haben. Und ihren Vater konnte er nicht mehr erreichen.
„Chase ist offensichtlich ein erfolgreicher Geschäftsmann, Rose. Ich glaube nicht, dass er absichtlich Geld zum Fenster hinauswerfen würde, nur um eine alte Rechnung zu begleichen. Dafür ist er viel zu schlau.“
„Danke für dein Vertrauen, chérie“, erklang Chases tiefe Stimme hinter ihr.
Kate wirbelte herum und sah ihn mit verschränkten Armen in der Tür stehen. „Chase, ich habe dich nicht gehört …“
„Aber ich brauche deine Unterstützung nicht“, unterbrach er sie.
Kate richtete sich auf und seufzte leise. Nein, er würde niemals zulassen, dass sie ihm irgendetwas gab. Sie wusste es, aber es schmerzte trotzdem.
Chase kniff die Augen zusammen und musterte sie, während er ins Zimmer trat. „Und wenn ich dich so anschaue, brauche ich heute gar nichts von dir.“ Er wandte sich an Rose. „Glauben Sie, dass Sie mir die Unterlagen zeigen können, ohne wieder in Tränen auszubrechen, junge Dame?“
Rose schniefte noch einmal und nickte dann wortlos.
„Gut.“ Er drehte sich um und senkte seine Stimme. „Geh nach Hause, Kate. Du siehst furchtbar aus. Ich erwarte dich ausgeruht und munter zu unserem Termin heute
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