Julia Collection Band 61 (German Edition)
gerne er sich früher in Irenes Nähe aufgehalten hatte.
„Willst du wieder herziehen?“
„Nein, ich glaube nicht, Irene. Ich weiß nicht einmal sicher, weshalb ich heute ausgerechnet hierhergekommen bin. Vermutlich wollte ich nur feststellen, wie sehr die Jahre Dads Haus zugesetzt haben.“
„Es sieht so aus wie immer. Ich habe dafür gesorgt, dass sich keine Tiere oder Ähnliches dort einnisten.“
„Danke.“ Chase war sich allerdings nicht sicher, ob er wirklich froh darüber war. Vielleicht wäre er glücklicher, wenn er erfahren hätte, dass das Haus niedergebrannt war und mit ihm all die schrecklichen Erinnerungen.
„Hast du vor, in Bayou City zu bleiben?“
„Nur lange genug, um ein paar alte Geister auszutreiben.“
Irene musterte ihn eingehend. „Dir gehört jetzt die Mühle, habe ich gehört. Bist du hier, um es einigen Menschen heimzuzahlen, mein Junge?“
Ja, genau deshalb war er gekommen. Aber jetzt … die Erinnerungen an Irenes Güte, die Tatsache, dass die Stadt so verloren wirkte, und die merkwürdige Zärtlichkeit, die er empfunden hatte, als Kate ihn um Hilfe für ihre Freundin und nicht für sich gebeten hatte … all das hatte dazu geführt, dass er das Bedürfnis hatte, seine Absichten zu überdenken.
Weil er sich seiner eigenen Intention nicht mehr sicher war, ignorierte er Irenes Frage. „Hast du jemals meine Großmutter Steele kennengelernt? Ist sie irgendwann einmal in Bayou City gewesen? Ich kann mich nicht erinnern, sie je getroffen oder ihren Namen gehört zu haben.“
Irene schüttelte traurig den Kopf. „Nein, Junge. Francine, deine Mutter, starb in dem Glauben, dass ihre Mutter sie hasste, weil sie deinen Vater geheiratet hatte. Ich habe sie zu überreden versucht, Lucille anzurufen, als sich dein Geburtstermin näherte.“ Irene zögerte und seufzte. „Ich glaube, sie hätte es irgendwann getan … wenn sie am Leben geblieben wäre.“
Chase hatte keine Erinnerung an seine Mutter. Er hatte lediglich ein paar Fotos und die Geschichten, die Irene ihm erzählt hatte, als er klein gewesen war. Er hatte keinen Grund gehabt, um eine Frau zu trauern, die er nie gekannt hatte. Nachdem er nun nicht nur Geld, sondern durch sie auch eine Familie geerbt hatte, war er traurig, dass er nie die Chance gehabt hatte, mit ihr zu sprechen.
„Warum hat meine Mutter meinen Vater geheiratet, Irene?“ Nach allem, was er kürzlich über Lucille Steele und ihre Familie erfahren hatte, konnte er sich nicht vorstellen, weshalb eine junge Frau aus einer so angesehenen Familie mit einem Trunkenbold davongelaufen war und ihn geheiratet hatte.
Irene lachte. „Aus Liebe, vermute ich. Aber das ist eine Frage, die du deinem Vater stellen solltest.“
Chase erinnerte sich, dass er als Kind seinem Vater viele Fragen über die Familie gestellt hatte. Er hatte jedoch niemals Antworten bekommen. Schon früh hatte er erkannt, dass die Fragen seinen Vater nur noch weiter in den Alkohol trieben.
Heute wollte sein Vater reden, aber Chase brachte es nicht über sich, ihm zuzuhören. Es war zu viel geschehen, als dass er verzeihen könnte.
Er zuckte mit den Schultern. „Irgendwann vielleicht.“
Nachdem er sich von Irene verabschiedet hatte, wendete er den Jaguar und fuhr zurück in die Pension. Es war keine Zeit mehr, um sich sein altes Heim anzuschauen. Und das war wahrscheinlich auch besser so. Zu viel des Nachdenkens und Redens über seine Kindheit machten ihn nervös, und er wollte bei der Begegnung mit Kate topfit sein.
Etwas war am vergangenen Abend, als sie zu ihm gekommen war, mit ihm geschehen. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich danach, sie zu berühren. Allein bei dem Gedanken an sie, packte ihn die Erregung. Das waren nicht die Reaktionen, die er nach zehn Jahren Hass auf sie erwartet hatte. Aber sie waren da, und er gedachte, das Beste daraus zu machen.
Das beste Restaurant in der Gegend lag nicht in Bayou City, sondern fünfzehn Kilometer außerhalb. Obwohl es normalerweise unmöglich war, kurzfristig einen Tisch dort zu bekommen, begrüßte der Besitzer von Kizzys Café Chase wie einen alten Freund und wies ihnen einen Tisch in einer abgeschiedenen Nische zu.
Kates Freundin Shelby hatte in diesem Restaurant gearbeitet, doch Kate war noch nie hier gewesen. Daher sah sie sich fasziniert um und stellte erleichtert fest, dass keiner der anderen Gäste Notiz von ihnen genommen hatte. Der Klatsch in der Stadt hatte bereits enorme Ausmaße angenommen, und wenn jemand aus
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