Julia Collection Band 61 (German Edition)
sprachen davon, was wir mit unserem Leben anfangen wollten.“
Die Jahre schienen sich aufzulösen, und in seiner Erinnerung konnte Chase das junge, verliebte Paar sehen, das er und Kate gewesen waren. Nein, korrigierte er sich. Nur einer von ihnen war verliebt gewesen. Die andere war offensichtlich eine gute Lügnerin.
„Aus dem Nichts tauchten plötzlich vier von den härteren Jungs auf, die mit uns zur Schule gingen, und fingen ohne Grund einen Streit an. Sie waren keine Feinde von mir, aber sie waren betrunken und wollten nicht reden – sie schlugen gleich zu. Anfangs war ich nicht allzu besorgt, denn sie waren ziemlich betrunken … aber dann packte einer von ihnen Kate und riss ihr die Bluse auf. Ich vermute, da bin ich durchgedreht. Dann weiß ich nur noch, dass der Sheriff plötzlich auftauchte und mich davon abhielt, den Jungen grün und blau zu schlagen.“
„Du hast alle vier niedergeschlagen?“
„Sie waren betrunken.“ Es war nichts, worauf er sonderlich stolz war. „Der eine, der Kate gepackt hatte, musste ins Krankenhaus gebracht werden.“
„Aber warum wollte der Sheriff dich ins Gefängnis stecken?“, fragte Shelby. „Sie haben doch dich und Kate angegriffen.“
„Die anderen drei sagten aus, sie hätten gesehen, wie ich Kate bedrängt habe. Sie behaupteten, sie wären ihr zu Hilfe gekommen.“
„Wie bitte? Jeder in der Stadt wusste, dass ihr beiden ein Paar wart. Warum sollte irgendjemand so etwas glauben?“
Chase fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wünschte, er hätte die Reise in die Vergangenheit nicht angetreten. Shelby würde nicht gefallen, was er jetzt zu sagen hatte.
„Kate sagte dem Sheriff, es wäre die Wahrheit“, erzählte Chase mit leiser, aber klarer Stimme. „Sie schwor, ich hätte getrunken und hätte sie aus dem Auto gezerrt und bedrängt, bis die Jungs vorbeikamen und sie zu retten versuchten.“
Shelby starrte ihn mit großen Augen an. „Das glaube ich nicht.“
Chase schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich hatte auch Probleme damals, das zu begreifen. Und dann bot ihr alter Herr mir auch noch einen Deal an. Henry Beltrane erklärte, weil die Familie meines Vaters schon seit Generationen hier wohnte, wollte er mir eine Chance geben. Wenn ich die Stadt für immer verließe, würde niemand Anklage gegen mich erheben. Ich wäre frei, dürfte aber niemals zurückkehren.“
Shelby schüttelte noch immer den Kopf. „Irgendetwas stimmt an dieser Geschichte nicht. Die Sache mit Kate kaufe ich dir nicht ab.“
„Es hat Jahre gedauert, bis ich es akzeptiert habe. Ungefähr vor sechs Wochen habe ich zufällig denjenigen getroffen, den ich damals krankenhausreif geschlagen habe. Mir war nie klar gewesen, warum die Jungs damals draußen am Fluss gewesen waren. Niemand außer mir und Kate ging je dorthin. Wie auch immer“, fuhr Chase fort. „Der Typ arbeitet jetzt als Sicherheitsbeamter in New Orleans. Er erzählte mir, dass Henry Beltrane sie bezahlt hat, damit sie uns suchten, mich zusammenschlugen und mich aus der Stadt vertrieben. Dazu muss man wissen, dass ihre Väter damals arbeitslos waren und die Familien das Geld dringend brauchten. Aber trotzdem … sie hatten sich erst betrinken müssen, um den Mut aufzubringen, so etwas zu tun.“
„Aber warum?“, rief Shelby. „Und warum sollte Kate …?“
Chase zuckte mit den Achseln. „Da der Mistkerl Beltrane tot ist, werden wir seine Gründe wohl niemals erfahren.“
Shelby sah so geschockt aus, dass Chase entschied, noch etwas hinzuzufügen: „Ich vermute, dass Kate sich in gewissem Maße schuldig fühlt, da sie sich geweigert hat, mit dir darüber zu sprechen.“
„Diese Geschichte klingt so gar nicht nach Kate“, beharrte Shelby. „Ich verstehe das nicht.“
Plötzlich wusste Chase, dass er zu viel gesagt hatte. „Ich verstehe es auch nicht. Aber ich will nicht, dass diese alte Geschichte einen Keil zwischen euch treibt.“
„Oh, das wird sie nicht“, erwiderte Shelby entschieden. „Die Geschichte hat nichts mit der Kate zu tun, die ich kenne. Denn die hat mir das Leben gerettet.“
Shelby bückte sich und nahm ihre Tochter in die Arme. Die Kleine quietschte vergnügt, und kuschelte sich an ihre Mutter. „Gleich nachdem Madeleine geboren war, fürchtete ich, ich müsste sie hergeben. Ich hatte nichts. Keinen Job und keine Familie. Ich hatte keine Wohnung, wo man mich mit dem Baby akzeptiert hätte. Ich hatte sogar schon Freunde um Lebensmittel anbetteln müssen. Damals lebte Kates
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