Julia Collection Band 61 (German Edition)
Vater noch, aber er war krank. Also hat Kate uns Lebensmittel zukommen lassen und half mir, das alte Gästehaus wieder herzurichten, damit wir eine Bleibe hatten. Sie hat sogar auf Madeleine aufgepasst, damit ich mich um Aufträge für meinen Cateringservice bemühen konnte.“
Shelby küsste ihre kleine Tochter. „Wenn ich Madeleine hätte aufgeben müssen, so kurz nachdem ich ihren Vater verloren hatte … ich hätte nicht weiterleben mögen. Deshalb verdanke ich Kate alles.“
Chase war sprachlos. Diese beiden Geschichten über Kate waren unvereinbar.
„Ich werde Kate nie wieder danach fragen, was vor zehn Jahren geschah“, erklärte Shelby. „Irgendwann wird die Wahrheit herauskommen. Das ist immer so.“
Chase nickte. Er war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit hören wollte. Manchmal blieben Geheimnisse besser im Verborgenen.
Die Luft im Haus war stickig geworden, und Chase hatte auf einmal das Bedürfnis, seinen Kopf wieder klar zu bekommen. Er dankte Shelby für die Führung durchs Haus und ging hinaus vor die Tür.
Kate sprang von dem wackligen Aufsitzrasenmäher und entfernte das Unkraut, das sich um die Schneidemesser gewickelt hatte. Sie legte sich die Hand ins Kreuz und streckte sich. Es war ein ziemlich heißer Tag, dafür, dass der Frühling gerade erst begonnen hatte, und sie spürte, wie ihr der Schweiß zwischen den Brüsten entlanglief.
Sie wischte sich über die Stirn und sah hinüber zum Haus, wo sie auf der Veranda eine Bewegung wahrnahm. Verwirrt schaute sie sich weiter um und bemerkte den Jaguar, der auf der Einfahrt geparkt war.
Und tatsächlich, da war auch Chase. Mit langen Schritten ging er die Veranda auf und ab. Groß und noch immer so atemberaubend gut aussehend, dass jede Frau sich sofort in ihn verlieben musste, ließ er auch Kates Knie weich werden.
Das Bild rief die zehn Jahre alten Erinnerungen wach, die sie zu vergessen versucht hatte. Es war ein anderer, viel zu heißer Frühlingstag gewesen, als sie beide sich um nichts weiter Sorgen zu machen brauchten, als darüber, wo sie einen Platz fanden, der ihnen genügend Schatten für ihr Picknick bot.
Auch an jenem Tag war sie verschwitzt gewesen. Doch die meiste Hitze war damals von ihren jungen Körpern ausgegangen, die sich voller Verlangen aneinandergeklammert hatten, während sie nach einem Ort gesucht hatten, wo sie allein sein konnten.
Unter einer Weide hatten sie Schatten und Abgeschiedenheit gefunden. Sie erinnerte sich an seine Berührungen … an den Geschmack seiner Lippen, als er sie geküsst hatte.
Die verblassten Erinnerungen genügten, um einen Wonneschauer durch ihren Körper zu jagen. Kate blinzelte und versuchte dagegen anzukämpfen, doch ein anderes Bild tauchte vor ihrem inneren Auge auf: Chase, der neben ihr saß und zusah, wie sie sich auszog. Er hielt sie allein mit seinem Blick gefangen – mit diesem Blick aus sündhaft dunklen Augen, der sich förmlich in sie gebohrt hatte.
Kein Wunder, dass der Striptease am vergangenen Abend sie so erregt hatte. Schon damals hatte er sie mit seinem Blick für immer gebrandmarkt. Mit seinen sanften Worten und zärtlichen Berührungen hatte er es geschafft, dass sie vollständig seinem Zauber erlegen war.
Kate wischte sich den Schweiß von den Schläfen und atmete tief durch. Sie erinnerte sich auch noch allzu gut daran, was für ein schüchternes, feiges Mädchen sie damals war. Zu ängstlich, sich das zu nehmen, was sie wirklich wollte. Zu sehr darauf bedacht, was die anderen sagten. Und sie hatte viel zu viel Angst vor dem Einfluss ihres Vaters gehabt, als dass sie ihrem Traum gefolgt wäre.
Doch diese Zeiten waren vorbei. Ihr Vater war tot. Alles, was sie liebte, drohte für immer verloren zu gehen. Sie konnte es sich nicht länger leisten, ein Feigling zu sein. Sie war entschlossen, sich von nun an das zu nehmen, was sie wollte.
Chase stand auf der Veranda und betrachtete seinen Besitz. Obwohl das Land verwahrlost und ungepflegt aussah, bereitete ihm die Aussicht auf die unendliche Weite der Plantage eine innere Befriedigung.
Es gehörte ihm. So weit das Auge reichte, gehörte ihm das Land ringsum. Es war sein Kindheitstraum, und für einen kurzen Moment dachte er an die alte Roma und ihr Geschenk – ein Geschenk, das ihm seinen Herzenswunsch erfüllen sollte.
Der Gedanke ließ ihn lächeln, und er griff erneut nach dem goldenen Ei in seiner Tasche. Live Oak Hall war sein Traum gewesen, solange er sich zurückerinnern konnte.
Die alte Roma
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