Julia Collection Band 62
zwischen ihnen, das Verlangen, war es das, was Liebe bedeutete?
Nein, Liebe auf den ersten Blick – Liebe, wenn du einen Mann gerade erst zwei Wochen kennst –, das gehörte ins Reich der Märchen.
Ja, genauso wie Prinzen.
Sie brauchte weder einen Prinzen in ihrem Leben noch Liebe auf den ersten oder zweiten Blick. Alles, was sie brauchte, war ein Vater für Alice. Sie begann allerdings zu befürchten, dass sie in Stephen weit mehr bekommen hatte.
5. KAPITEL
„Sollen wir uns irgendwo ein ruhiges Restaurant suchen?“, schlug Stephen vor.
„Ja, das wäre schön.“
„Und danach besuchen wir Alice.“
„Ich bin froh, dass du mitkommen willst.“
„Natürlich komme ich mit.“
Suzanne hatte sich umgezogen und trug nun wieder Jeans. Wenn sie mit dieser legeren Kleidung ein Signal aussenden wollte, dann empfing Stephen es deutlich und klar. Er beabsichtigte auch gar nicht, dagegen anzukämpfen.
Während der Fahrt in der Limousine war er sich zwar vollkommen bewusst gewesen, was er tat, als er sie küsste, doch er hatte es keinesfalls so weit kommen lassen wollen. Und dass ihm plötzlich sämtliches Blut in die Lenden geströmt war, als sie vor ein paar Minuten das Schlafzimmer betreten hatte, war auch ganz sicher nicht geplant gewesen. Mein Gott, wann hatte die Kombination aus zwei vollkommen bekleideten Personen und einem großen Bett jemals so viel erotische Kraft besessen?
Würde er also diese Nacht mit Suzanne schlafen? Er war schließlich mit ihr verheiratet. Es handelte sich um eine offensichtliche Erwartung, über die sie bereits gesprochen hatten, wenn auch nur kurz. Was ihn jedoch zögern ließ, war die Tatsache, dass er in ihr eine tiefe Unschuld vermutete. Mochte sie auch in körperlicher Hinsicht keine Jungfrau mehr sein, so glaubte er, dass sie es in einem vielleicht noch wichtigeren Bereich dennoch war – in ihrem Herzen. Sie hatte noch keinen Mann so sehr geliebt, dass er für sie die ganze Welt bedeutet hätte.
Dieses Wissen kollidierte unsanft mit Stephens Ehrgefühl. Es wäre ja so einfach, mit ihr Sex zu haben. Heute, morgen, nächste Woche. Er stellte sich vor, wie sie ihre langen Beine um seinen Körper schlang, und glaubte schon, ihren weiblichen Duft zu riechen und ihr leises Stöhnen zu hören. Auch in der Limousine war ihr so ein kleiner, kehliger Ton entwischt. Es hatte eine Welle des Begehrens durch ihn gesandt. Er wusste, dass er sie mit zehnfacher Intensität zum Stöhnen bringen konnte.
Aber wäre das richtig?
Er streifte sich die Lederjacke über und musste dabei feststellen, dass seine Hände bei dem Versuch, seine erotischen Fantasien unter Kontrolle zu bringen, zitterten.
Er griff nach den Wohnungsschlüsseln, überprüfte noch einmal, ob er seine Brieftasche eingesteckt hatte, und brummte dann: „Können wir?“
„Oh, ich sollte auch meine Jacke anziehen.“
Nicht , wollte er sagen. Denn dann sehe ich nichts mehr von deinem Hochzeits-BH, der sich unter deinem T-Shirt abzeichnet.
Stattdessen nickte er nur stumm, und sobald sie den Raum verlassen hatte, fluchte er ausgiebig auf Russisch. Danach fühlte er sich ausreichend abgelenkt von seiner Folter, um mit ihr das Apartment verlassen zu können.
Sie nahmen die U-Bahn in Richtung Zweiundzwanzigste Straße und aßen in einem gemütlichen kleinen Restaurant. Beide hatten keine große Lust, viel zu reden, doch das wiederholte Schweigen war keineswegs unangenehm.
In dem gedämpften Licht bemerkte er, dass Suzanne müde aussah. Die meisten Menschen wären unter der nervlichen Anspannung der letzten Wochen schon längst zusammengebrochen, doch sie war offensichtlich wesentlich stärker, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Eigentlich hatte er das von Anfang an vermutet. Stark genug, um alles dafür zu tun, das Baby, das sie liebte, behalten zu dürfen. Aber niemand konnte ewig lange so weitermachen.
Ich muss auf sie aufpassen. Der Gedanke kam ganz instinktiv. Ich muss für sie sorgen. Wenn sie mich nur lässt.
„Du runzelst die Stirn“, bemerkte sie.
„Du auch.“
„Oh!“ Sie lachte und hob dann die Finger an ihre Stirn, um sie zu glätten. „Ich habe wahrscheinlich vergessen, wie ich damit aufhöre.“
„Vielleicht musst du dir in Zukunft nicht mehr so viele Gedanken machen“, meinte er zärtlich.
Doch als sie im Chelsea Westside Hospital ankamen, fanden sie dort Rose vor, die neben Alices Brutkasten eingeschlafen war. Suzannes bekümmerter Gesichtsausdruck war sofort wieder an seinem
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