Julia Collection Band 62
Jade.
Plötzlich passte nichts mehr zusammen. Gar nichts mehr.
Sie drehte sich zu Stephen um und spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. „Ich verstehe das nicht. Erklär mir dieses Apartment. Wem gehört es? Wenn du schon vor Tagen die Schlüssel bekommen hast, warum hast du dann in diesem billigen Hotel gewohnt? Und wieso bist du durch dieses hässliche, unfertige Lagerhaus, das ich meine Wohnung nenne, gegangen und hast davon gesprochen, dass wir etwas daraus machen könnten, so, als wenn du auch nur eine Sekunde in Betracht ziehen würdest, dort zu leben. Das macht keinen Sinn. Du machst keinen Sinn, Prinz Stephen von Aragovia.“
„Nein, wahrscheinlich nicht“, gab er zu. „Es braucht etwas Zeit, sich daran zu gewöhnen, musst du verstehen. Ich fühle mich auch nicht hundertprozentig wohl in diesem eleganten Ambiente.“
„Dann erklär es mir endlich!“
„Meine Familie hatte wie jede andere auch schwierige Zeiten zu überstehen. Doch jetzt ändern sich die Dinge, jetzt, wo ich ohne Gefahr meinen Titel tragen kann.“
„Gefahr? Für dich?“
Er fuhr mit einem Finger über die Narbe auf seiner Wange. „In den vergangenen zehn Jahren haben Staatsgegner zweimal versucht, mich zu ermorden. Einmal, wie du sehen kannst, waren sie beinahe erfolgreich.“
„Warum?“
„Wegen der Bedrohung, die ich für sie dargestellt habe. Meine Familie war immer populär, und es gab viele Menschen, die hofften, dass ein Serkin-Rimsky eines Tages wieder den Thron besteigen würde. Aber nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes riss erst einmal die Mafia die Macht an sich. Wenn sich nicht die beiden rivalisierenden Gruppen gegenseitig zerstört hätten, hätte ich das Land verlassen müssen. Meine Mutter wurde schon halb verrückt vor Angst.“
„Das erklärt immer noch nicht all das hier.“ Mit einer großzügigen Armbewegung deutete sie auf das Penthouse, die teuren Möbel und den Blick auf den Central Park.
„Mein Onkel Alex war nicht der einzige Immigrant aus Aragovia, der Erfolg in den USA hatte, Suzanne. Dieses Apartment gehört einem anderen Adligen aus meinem Land, der vor den Ereignissen in Zentraleuropa 1945 floh. Arkady Radouleau ist heute ein sehr bekannter Kunsthändler, der es gerne sehen würde, wenn die Serkin-Rimskys wieder an die Macht kämen. Er und seine Frau Sonia befinden sich zurzeit auf einer Geschäftsreise durch Europa, sodass die Wohnung frei ist. Ich fühlte mich jedoch nicht besonders wohl dabei, sie zu benutzen, bevor ich einen guten Grund dafür hatte.“
„Unsere Flitterwochen. Damit Mom Ruhe gibt.“
„Du musst dich daran gewöhnen, dass da Menschen sind, die du nie getroffen hast, die aber große Hoffnungen in unsere Ehe stecken.“
Sie nickte stumm. Sie hätte mehr Fragen gestellt, wenn seine nächsten Worte sie nicht abgelenkt hätten.
„Und ich muss mir genau dasselbe sagen. Ich bin kein armer Student mehr, so wie damals, als Jodie und ich Freunde wurden.“
„In meinem Apartment wirst du wie ein armer Student leben!“
„Ich hatte genügend Gelegenheit, mich an diesen Lebensstil anzupassen, glaube mir!“
„Du bist also insgesamt sehr anpassungsfähig.“ Sie wusste selbst nicht, ob das ein Kompliment oder eine Provokation sein sollte.
„Das muss ich. Und es ist nicht so schwierig, wenn du ein Ziel im Auge hast.“
„Dann erzähle mir von diesem Ziel. Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, was es ist. Alice natürlich, oder ?“
Doch er schien ihr nicht mehr zuzuhören. Jedenfalls antwortete er nicht. Er nahm ihren Koffer und trug ihn zu einem Schlafzimmer. Suzannes Schlafzimmer offensichtlich.
Oder werden wir es teilen? kam ihr der plötzliche Gedanke. Sie sah sich selbst, wie sie morgens neben ihm erwachte, warm und schläfrig, befriedigt und erfüllt. Schließlich waren sie verheiratet, oder nicht?
Ja, aber sie waren aus einem bestimmten Grund verheiratet. Einem anderen Grund.
Was ist dann mit der Art und Weise, wie du dich in der Limousine gefühlt hast?
Sie folgte Stephen in den Raum und bemerkte seinen Blick, als er zwischen ihr und dem Bett hin und her schaute.
„Ich nehme eins der anderen Schlafzimmer“, sagte er leise.
Sie wussten beide, dass er das nicht lange tun würde. Suzanne wollte jedoch lieber nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Ihre Mutter hatte heute in der Kirche von „Liebe auf den ersten Blick“ gesprochen. Sie hatte das als Stichelei gemeint. Doch wie schnell konnte Liebe wachsen? Diese Anziehungskraft
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