Julia Collection Band 62
braucht es, damit du deine Kraft erkennst, Suzanne? Du musst stark sein, und ich muss noch so viel mehr von dir verlangen. Lass mich nicht im Stich.
Doch er wusste, dass es zu früh wäre, ihr dies heute zu sagen, und so schwieg er – genau wie sie auch.
Als sie hinaus auf die Straße traten, fragte er: „Sollen wir ein Taxi nehmen?“
„Die U-Bahn ist vollkommen okay. Wahrscheinlich sogar schneller.“
Suzanne war klar, dass sie Stephen verärgert hatte. Auch enttäuscht. Er erwartete, dass sie sich gegenüber ihrer Mutter besser verkaufte.
„Versuchst du mich abzuschütteln, Suzanne?“, rief er ein paar Minuten später hinter ihr her.
„So schnell laufe ich nun auch wieder nicht“, fauchte sie über die Schulter zurück.
Er zuckte die Achseln. „Gut, wir können auch joggen, wenn du das willst.“
„Nein, danke!“
„Es tut mir leid, dass ich sauer war, Suzanne.“
„Immerhin einer von uns bedauert es!“
„Das heißt also, dir tut es nicht leid, und du bist böse mit mir?“
„Fifty-fifty. Zum Teil ärgere ich mich über dich, zum Teil über mich selbst. Glaubst du, ich würde mir nicht auch eine bessere Strategie gegenüber meiner Mutter wünschen? Natürlich tue ich das!“
„Du wirst es dir noch mehr wünschen, wenn du Alice verlierst.“
„Hör auf, mir ständig Dinge zu erzählen, die mir auch klar sind!“
Als sie ihr Luxusapartment erreichten, schien sie immer noch nicht ganz Dampf abgelassen zu haben, und ihn plagten weiterhin Zweifel. Er hatte Alices ganze Zukunft daran gekoppelt, sich selbst mit Suzanne zu verbünden. War das ein Fehler gewesen? Hätte er länger darüber nachdenken sollen, ob er der gierigen Rose ein Angebot hätte machen können? Oder hätte er direkt versuchen sollen, seine diplomatischen Beziehungen spielen zu lassen?
Mein Gott, er fühlte sich total ausgelaugt, was ein Bestandteil des Problems darstellte. Er war beinahe genauso müde wie Suzanne.
„Es ist zwar noch nicht so spät“, erklärte sie gerade. „Aber ich gehe jetzt ins Bett.“
Bing! Nur die kurze Erwähnung des Wortes sandte eine Vibration durch die Luft zwischen ihnen.
Heute Nacht, dachte er. Sie würde mich nicht abweisen, dessen bin ich mir sicher, und es würde sie in einer Art an mich binden, wie es nichts anderes zu tun vermöchte. Wenn es dann an der Zeit wäre, Alice nach Aragovia zu bringen, würde sie freiwillig mit mir gehen, oder?
Alles, was er tun musste, war, den Raum zu durchqueren und sie in die Arme zu nehmen. Alles, was er tun musste …
„Stephen …“
Der kleine Laut entrang sich ihrer Kehle, als sie sich nur Sekunden später an ihn schmiegte. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, weil sie nach unten blickte. Ihr Haar legte sich auf seine Schulter, und er streichelte ihren Hinterkopf. Sie waren beide ein wenig unbeholfen. Ehrfürchtig.
Zumindest ihm ging es so. Sie in den Armen zu halten fühlte sich so richtig an. Wie das letzte Teil eines Puzzles, das an seinen Platz geschoben wurde. Er hatte das nicht erwartet. Er hatte vor zwei Wochen auch bestimmt nicht danach gesucht, als er via Prag und London nach New York geflogen war. Er hatte seinen Ratgebern erklärt, dass selbst die berechnendste politische Ehe so lange warten musste, bis er dazu bereit war, und nun hatte er eine Ehefrau, bei der er sich danach sehnte, mit ihr zu schlafen.
Er konnte den Moment nicht benennen, in dem er sich entschlossen hatte, zu ihr zu gehen. Seine Beine hatten sich wie von selbst in Bewegung gesetzt, bevor er auch nur realisiert hatte, was er tat. Als sie dann in seinen Armen lag, wanderte er mit seinen Lippen von ihrer Schläfe langsam bis zu ihrem Mund. Er liebte die Art, wie sie sich an ihn klammerte, so, als wenn ihr Körper sie auf eine Reise schickte, die sie gleichzeitig mehr ängstigte und aufregte als jede Erfahrung zuvor.
„Ja“, wisperte er voller Freude über ihre Begierde. „Halte mich. Lass nicht los.“
„Das habe ich nicht vor.“
Sie führte ihn ins Schlafzimmer und küsste ihn dabei. Lange, kühne, sinnliche Küsse, die ihn erforschten. Er spürte den Hunger und die Ungeduld in diesen Berührungen – und die Unschuld.
Die Unschuld.
Er erinnerte sich daran, was sie über ihre Mutter und die Jungen während ihrer Teenagerzeit gesagt hatte. Sie musste Jahre damit verbracht haben, an sich selbst zu zweifeln, und dabei war sie so schön.
„Nein, hör auf“, bat er sie plötzlich. „Hör auf, Suzanne.“
Er griff nach ihren Schultern und schob sie auf
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