Julia Collection Band 62
Muße? Heutzutage stimmt das nicht mehr, nicht wahr? Junge Leute rasen zum Altar, sobald es einen Hauch von Chemie zwischen ihnen gibt, denn sie wissen ja, dass eine rasche Scheidung den anderen so schnell wieder verschwinden lässt, wie die erste Begeisterung abgeklungen ist.“
„Du warst dreimal verheiratet, Mom. Du dürftest in dieser Hinsicht also ein Profi sein.“
Ein Fehler. Stephen sah, wie sich Suzanne auf die Lippen biss. Sie verteidigte ihren Standpunkt nicht gut. Er würde später versuchen müssen, Dr. Feldman die Situation ganz offen zu erklären. Dass sie um Alices willen geheiratet hatten, dass sie aber dennoch große Hoffnungen für ihre gemeinsame Zukunft hegten. Das war noch nicht einmal gelogen.
Im Moment herrschte jedoch erst einmal betretenes Schweigen.
„Nun, wie ich bereits sagte. Herzlichen Glückwunsch“, wiederholte Michael Feldman schließlich.
Suzanne sah unglücklich, frustriert und verärgert aus. Darüber hinaus schien sie über keinerlei Strategie zu verfügen, wie sie mit ihrer Mutter umgehen sollte.
Es war der falsche Zeitpunkt, um dazwischenzugehen und irgendetwas zu erklären, entschied Stephen.
„Michael, können wir uns nächste Woche einmal treffen?“, fragte er ruhig. „Ich muss über verschiedene Dinge mit Ihnen reden.“
„Ja, natürlich.“
„Ich werde jetzt meine Frau nach Hause bringen“, verkündete er, wobei er einen Arm um ihre Taille legte. „Sie ist vollkommen erschöpft, und ich mache mir Sorgen.“
„Sie werden sie ins Bett legen?“, erkundigte sich Rose.
„Ja, genau das werde ich tun.“ Er weigerte sich, auf die doppeldeutige Anspielung in ihren Worten einzugehen. Suzanne bewegte sich neben ihm wie ein nervöses Pferd, das an seinem Zaumzeug zerrte, doch er ließ sie nicht los. Sie brauchte seine Kraft, und er wollte sie ja auch stützen.
Als sie jedoch allein im Aufzug standen, konnte er die Verärgerung nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten, als er sie fragte: „Warum hast du dich nicht gewehrt? Du wärest keinesfalls unsympathischer rübergekommen, wenn du es versucht hättest!“
Suzanne wirkte sehr bekümmert wegen der ganzen Episode, war allerdings auch nicht bereit, seine Kritik wortlos hinzunehmen. Das wurde ihm klar, sobald sie das Kinn trotzig vorreckte.
„Ich kann mich nicht wehren, okay? Ich kann so eine Auseinandersetzung gegen Mom einfach nicht gewinnen. Sie erwischt mich immer auf dem falschen Fuß. Ich werde wie paralysiert. Ungeschickt, zickig. Du hast es ja selbst erlebt. Verlange nicht von mir, das von einer Sekunde auf die nächste zu ändern, wenn es mir in meinem ganzen bisherigen Erwachsenendasein noch nicht gelungen ist.“
„Es steht eine Menge auf dem Spiel“, betonte er.
„Daran brauchst du mich nun wirklich nicht zu erinnern! Aber Mom hat das schon immer so gemacht. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich als Kind Dinge zugegeben habe, die ich gar nicht begangen hatte. Die letzten Kekse aus der Dose genommen zu haben. Ein nasses Handtuch auf der Couch vergessen zu haben. Ja, okay, das habe ich alles getan! Und als ich ein Teenager war, als die ersten Jungs mich abholen kamen …“
Ihre Stimme zitterte vor Erregung. Die Türen des Aufzugs öffneten sich, und sie stürmte hinaus, ohne jedoch ihren Wortschwall zu unterbrechen.
„Du weißt schon. So ein verlegener Siebzehnjähriger stand vor der Tür, während ich natürlich noch oben vor dem Spiegel meine Panikattacken unter Kontrolle zu bringen versuchte. Mom erzählte ihm dann irgendein Zeug, dass er ihre Tochter ja nicht falsch behandeln sollte, oder noch schlimmer, dass ich gar nicht mehr aufhören würde, von ihm zu schwärmen und dass sie schon die große Romanze sehen könnte. Wie auch immer, sie hat die Typen jedes Mal zu Tode erschreckt. Ich habe das erst herausgefunden, als Jill und Catrina alt genug waren, um ihre Taktik zu verstehen und mich zu warnen. Ich dachte immer, dass es meine Schuld wäre, wenn keiner ein zweites Mal mit mir ausgehen wollte.“
„Du bist heute viel stärker.“
„Ja, das bin ich. Aber nicht in Gegenwart meiner Mutter. Durch sie falle ich sofort in die alten Muster zurück.“
„Warum hast du überhaupt noch etwas mit ihr zu tun?“
„Weil sie meine Mutter ist.“
Ihre Körpersprache signalisierte ihm sehr deutlich, dass sie nicht weiter darüber reden wollte. Stephen hätte ihr gerne erklärt, dass solche Muster aufgebrochen werden konnten, doch dazu benötigte es mehr als ein paar Worte von ihm.
Was
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