Julia Collection Band 62
vermissen! Wir sind alle unglaublich froh, dass sie jetzt nach Hause kommt und dort groß werden kann.“
Unten in der Lobby des Krankenhauses fragte Suzanne ihre Mutter: „Willst du mit uns in die Wohnung fahren?“
„Nein, aber ihr könnt mich ein Stück mitnehmen“, antwortete Rose missgelaunt. „Perry und ich checken heute aus.“
„Oh, fahrt ihr zurück nach Philadelphia?“
„Nein, wir ziehen nur irgendwohin, wo es billiger ist, bis diese ganze Sache geregelt ist. Glaubst du, wir können es uns ewig leisten, in Central Park South zu wohnen?“ Wieder mal ein Strategiewechsel bei Rose. Offensichtlich hatte sie mittlerweile bemerkt, wie schlecht es aussah, wenn sie und Perry in Erwartung von Alices Vermögen dermaßen extravagant lebten. Sie glitt auf den Beifahrersitz der Limousine und erneuerte ihr Make-up.
„Ich sollte euch warnen. Wir sind auf die Anhörung nächste Woche mit Dr. Feldman und dem Vertreter des Jugendgerichts gut vorbereitet“, meinte sie, als sie ihr Hotel erreichten. „Glaub nicht, dass es schon vorbei ist, Honey, nur weil du Alice jetzt mit nach Hause nimmst. Ich kann diesen ganzen Kram über ihre spezielle Pflege genauso gut lernen.“
Sie stieg aus dem Wagen, küsste ihre Tochter auf die Wange, wobei sie eine Wolke aus Parfum um sich verbreitete, und winkte kurz mit den Fingern. „Wir sehen uns dann vor Gericht.“
„Es ist kein Gericht, Mom.“
„Das könnte es aber werden, vergiss das nicht.“
„Was folgerst du aus der Drohung deiner Mutter?“, wollte Stephen wissen, nachdem sie die Stadt durchquert und vor ihrem Wohnblock angehalten hatten.
Er klemmte sich die Kindertrage unter den Arm, die ungefähr viermal so viel wog wie Alice selbst.
„Ich folgere gar nichts daraus“, entgegnete Suzanne. Sie nahm die Babytasche und das Sauerstoffgerät an sich und stellte beides auf dem Boden ab, als sie die Wohnungstür aufsperrte. Dann wandte sie sich an Stephen, der neben ihr stand. „Mom hat mal wieder ihre Taktik geändert, und sie glaubt offensichtlich, dass sie noch eine Menge Trümpfe im Ärmel hat. Aber darüber werde ich mir keine Sorgen machen. Wir müssen uns um Alice kümmern, und das ist genug.“
„Gut“, erwiderte er und strich ihr eine Haarsträhne fort, die eine kühle Brise über ihren Mund geweht hatte.
In den nächsten drei Tagen bewies Alice, wie schnell ein winzig kleines Baby zwei Erwachsene in reine Nervenbündel verwandeln konnte.
Sie schrie, spuckte ihre Milch aus, bekam Hautausschlag, wollte mitten in der Nacht spielen und schlief ein, sobald sie die Flasche im Mund hatte. Ihr Atem setzte drei- oder viermal am Tag aus, was sowohl Suzanne als auch Stephen in Panik versetzte, obwohl beide genau wussten, was sie zu tun hatten.
Um es zusammenzufassen: Alice war das hübscheste, süßeste Baby der Hölle, dem man begegnen konnte. Die Schwierigkeiten zwischen Suzanne und Stephen waren da momentan zweitrangig – sie verbündeten sich gegen einen gemeinsamen Feind: die Bedürfnisse eines frühgeborenen Kindes.
Am Freitagnachmittag kam Suzanne vom Einkaufen zurück – es war das erste Mal seit Dienstag, dass sie die Wohnung verlassen hatte – und fand Stephen mit Alice im Flur. Er wanderte mit der Kleinen, die aus Leibeskräften brüllte, auf und ab.
Er hielt sich nicht großartig mit einer Begrüßung auf, sondern meinte nur mit gequälter Miene: „Weißt du, wenn ich dir erzählt habe, dass ich ein Kinderarzt bin, dann kommt es mir jetzt so vor, dass ich die Jahre meiner medizinischen Ausbildung nur geträumt habe, denn dieses Kind erkennt mit Sicherheit nicht eine meiner Fähigkeiten an!“
„Sollen wir mit ihr rausgehen?“
„Raus … wohin?“ Er blinzelte und wiederholte die Worte, als machten sie keinerlei Sinn für ihn.
„Einfach raus.“ Ihre Stimme war laut geworden. „Wir kriegen ja hier drin noch Platzangst. Sie wird sich beruhigen, wenn wir das auch tun. Ich habe den Schlüssel zu einem privaten Park an der achtundvierzigsten Straße. Es ist mild draußen. Wir können eine Decke mitnehmen und sie in die Sonne legen, wie Terri vorgeschlagen hat.“
Sie gingen die zwei Blocks zu der Grünanlage zu Fuß und hielten nur dreimal, um die Decke festzudrücken und Alice im Schlaf lächeln zu sehen.
Wir sind wie eine Familie, dachte Suzanne, als sie in dem Park ankamen und sich auf das Gras setzten, und so behandelten die Leute, die kamen, um das Baby zu betrachten, sie auch: wie eine Familie.
„Sie hat Ihre Stirn“,
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