Julia Collection Band 62
hören, und Stephen konnte ihr das nicht verdenken. Er hatte heute Nacht ihr Vertrauen verletzt. Als er sie einen langen Moment betrachtete – wieder einmal suchte sie Zuflucht darin, das kleine Baby an sich zu drücken –, da fragte er sich, ob der Preis, den er für Aragovias Zukunft würde zahlen müssen, nicht zu hoch war.
Dann dachte er daran, wie sein Volk momentan noch leben musste. Es gab keinen Grund, weshalb Aragovia arm bleiben sollte. Die Zeit war reif für Veränderungen – jetzt, wo Enthusiasmus und Optimismus des Volkes groß waren und Investoren aus Europa und Amerika ihre Bereitschaft signalisiert hatten, in die neu aufzubauende Wirtschaft einzusteigen. Vorausgesetzt natürlich, die neue Regierung erwiese sich als stabil.
Es muss an erster Stelle stehen. Wenn ich sie verloren habe, etwas in ihr zerstört habe, dann bedaure ich das zutiefst, doch es kann meinen Entschluss nicht ändern. Diesen Luxus kann ich mir nicht leisten. Wenn wir eine Scheidung einreichen, dann habe ich keine andere Wahl, als über Alices Zukunft mit Rose zu verhandeln, einer Frau, die ich allmählich verachte, oder es auf eine diplomatische Ebene zu bringen, mit der ganzen Unsicherheit, die das bedeutet. Kann Suzanne nicht einsehen, dass sie unsere Ehe noch braucht?
„Hör mir zu“, begann Stephen, „wir können es uns nicht erlauben, dass dieses Misstrauen zwischen uns schwelt. Wenn du darüber nachdenkst, wirst du das auch erkennen. Wann wird Alice entlassen, hat man dir das schon gesagt?“
„Montag oder Dienstag.“
„Dann ist es ganz einfach. Du hast bis dahin Zeit, dir zu überlegen, ob du diese Ehe fortführen willst oder nicht. Meine Entscheidung ist gefallen. Es stimmt, dass Aragovia Alice braucht, aber Alice braucht dich. Du liebst sie, und das ist das Wichtigste. Ich werde unsere Ehe nicht aufgeben, solange die Chance besteht, dass sie euch beide zusammenhält.“
„Ich werde auf keinen Fall in dieses Penthouse zurückkehren!“
„Dann komme ich zu dir in die West Side.“
„Prinz Stephen von Aragovia lebt in einer schäbigen Abstellkammer von einer Wohnung! Das macht jetzt noch weniger Sinn als gestern, als ich dich dort gesehen habe!“
„Soll das eine Herausforderung sein, Suzanne? Du hast ja auch nicht vor, für immer dort zu wohnen. Ich denke, wir können da bleiben, bis die Anhörung stattgefunden hat. Was dann ist, darauf hat wohl noch keiner von uns eine Antwort, oder?“
„Eine weitere deiner überzeugenden Reden, Stephen?“
„Dann stimmst du mir nicht zu, dass wir unsere Ehe weiter aufrechterhalten sollten?“
„Natürlich stimme ich zu! Welche andere Wahl habe ich denn?“ Ihre Umgebung gänzlich vergessend, war sie laut geworden. Ein anderer Besucher der Station wandte sich mit einem Stirnrunzeln ihr zu, und in ihren Armen erwachte die kleine Alice und begann zu weinen.
„Du siehst nicht gerade glücklich aus, Suzie. Findest du nicht, dass es großartig geworden ist?“
„Oh, Cat, doch! Doch, das ist es! Es tut mir leid, ich bin nur …“
Sie unterbrach sich, woraufhin ihre Stiefschwester Catrina Brown ihr einen besorgten Blick zuwarf. Das Schweigen zwischen ihnen wurde unangenehm. Sie standen beide in der Mitte von Suzannes Wohnung, die sich im Laufe des Tages gründlich gewandelt hatte.
Cat war zusammen mit ihrer Lieblingsverwandten Pixie und deren Freund Clyde Hammond am Morgen angereist. Gemeinsam hatten sie im Laufe des Tages mit Unmengen von Stoffen und Holz wahre Wunder vollbracht. Aus einer Ecke hörte man immer noch metallisches Hämmern und das Summen von Pixies Industrienähmaschine.
Die schweren schwarzen Vorhänge hingen nicht mehr fantasielos an den Wänden herab, sondern waren so arrangiert worden, dass sie als elegante Raumteiler fungierten. Pixie hatte den Stoff mit bunten Bändern in dramatische Kurven gelegt. Clyde seinerseits hatte die Rahmen von drei großen Paravents gezimmert, die seine Freundin wiederum mit Stoffen ausgespannt hatte.
Suzannes Anruf war gestern gekommen. Unbeholfen hatte sie Cat und Pixie von ihrer Heirat erzählt. Dass es für sie und Stephen dabei nur um Alice ging und sie deshalb niemanden eingeladen hatte.
Ob die Erklärung überzeugend gewesen war? Sie war sich nicht sicher. Jedenfalls war es für Cat selbstverständlich gewesen, ihre Hilfe anzubieten. Und so war sie zusammen mit Pixie und Clyde nach New York gefahren.
Jetzt arrangierten die Schwestern die Paravents gerade so, dass Alice, Stephen und Suzanne jeder einen
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