Julia Exklusiv 0180
natürlich.“ Dave winkte einem seiner Assistenten. „John ist für die Unterkunft und Verpflegung zuständig. Er wird dir zeigen, wo du wohnst. Falls du irgendetwas brauchst, wende dich vertrauensvoll an ihn.“
„Es war nett, Sie kennengelernt zu haben, Lord Ratcliffe“, sagte Lois und verbarg nur mühsam ihre Erleichterung, als Daves Assistent sich zu ihnen gesellte. „Wahrscheinlich werden wir uns in den kommenden sechs Wochen nur selten über den Weg laufen, da von frühmorgens bis spätabends gedreht wird“, fügte sie hinzu und hoffte, dass Rob den Wink mit dem Zaunpfahl verstand.
„Oh, ich glaube, da irren Sie sich“, widersprach er mit trügerisch sanfter Stimme und lächelte boshaft, als er Lois’ Verwirrung bemerkte. „Ich bin sogar sicher, dass wir des Öfteren Gelegenheit haben werden, unsere … kurze Bekanntschaft zu vertiefen“, meinte er ironisch und zog erneut ihre Hand an seine warmen Lippen, bevor er sie endlich losließ.
War das eine versteckte Drohung gewesen? fragte sich Lois jetzt, während sie unruhig in dem grässlichen roten Zimmer auf und ab ging. Wenn sie sich nicht völlig getäuscht hatte, dann hatte er sogar noch, nur für sie hörbar, hinzugefügt: „Darauf kannst du wetten!“
War sie nicht ein ausgesprochener Pechvogel? Auf der Fahrt hierher hatte sie sich so auf das Wiedersehen mit von ihr geschätzten Kollegen und ihre Mitwirkung in einem anspruchsvollen Film gefreut, und nun saß sie plötzlich von einem Moment zum anderen tief in der Klemme. Dabei hätte Rob viel eher eine Strafe verdient, denn er hatte sie immerhin belogen.
Wie fast alle Schauspieler hatte sie ein ausgezeichnetes Gedächtnis und konnte sich noch genau daran erinnern, dass er sich ihr auf der philippinischen Insel als „langweiliger Anwalt“ vorgestellt hatte. Aus welchem Grund? Etwa aus Angst, sie würde sich an seine Fersen heften, wenn er sich als Mitglied der englischen Aristokratie zu erkennen gab? Falls das stimmte, hatte er sich in ihr gewaltig getäuscht, denn für sie waren Adelstitel nur verstaubte Relikte aus vergangenen Jahrhunderten.
Allerdings musste sie ehrlicherweise zugeben, dass es ihr damals wahrscheinlich sogar egal gewesen wäre, hätte Rob behauptet, der Erzengel Gabriel zu sein. Irgendwie hatte er sie vom ersten Augenblick an so fasziniert, dass sie nicht mehr gewusst hatte, was sie tat.
Noch heute wurde sie beim Gedanken an ihr unerklärliches Verhalten rot vor Scham, und nur ein lautes Klopfen an der Tür verhinderte, dass sie sich erneut in Selbstvorwürfen erging.
„Hi!“ Ein junges Mädchen steckte den Kopf herein. „Ich soll das hier abgeben“, sagte sie und trug eine große Vase mit einem Strauß roter Rosen ins Zimmer.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Vielen Dank, Miss …?“
„Ich heiße Emily“, sagte das Mädchen mit einem schüchternen Lächeln. „Und ich bin hier sozusagen der Laufbursche.“
Unwillkürlich musste Lois lächeln, weil die Stimme des Mädchens so aufgeregt und stolz klang. „Ein wichtiger Job!“
„Jedenfalls macht er mir irre Spaß.“ Emily lachte vergnügt. „Alle meine Freundinnen in der Schule beneiden mich glühend darum. Und wenn ich ihnen erst erzähle, dass ich Sie persönlich kennengelernt habe, werden sie vor Neid platzen!“
Die Erwähnung der Schule veranlasste Lois, das Mädchen etwas genauer zu betrachten, und sie bemerkte erst jetzt, dass es nicht älter als vierzehn sein konnte.
Emily war groß und schlaksig, hatte dünne Arme und Beine, und man konnte nicht sagen, dass sie besonders adrett aussah. Ihr dunkles Haar stand in ungleichmäßigen Stoppeln vom Kopf ab, und der kleine Ring im linken Nasenflügel verbesserte ihr äußeres Erscheinungsbild auch nicht gerade. Zudem trug sie ein hautenges schwarzes T-Shirt, einen sehr kurzen und ebenfalls schwarzen Minirock sowie Strümpfe und schwere Stiefel in derselben Farbe. Ihre ganze Aufmachung drückte, wie so oft bei Teenagern, offene Rebellion aus.
Nur ihr bezauberndes Lächeln, das herzförmige Gesicht und die von langen dunklen Wimpern umschatteten grauen Augen verrieten, dass sie später einmal eine Schönheit werden würde.
„Wo soll ich die Blumen hinstellen?“
Hilflos blickte Lois sich im Zimmer um und zuckte die Schultern. „Vielleicht dorthin?“ Sie deutete auf eine wuchtige Mahagonikommode mit schweren Messingbeschlägen.
„Okay“, sagte Emily fröhlich. Der Holzfußboden knarrte unter ihren schweren Stiefeln, als sie zur Kommode ging
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