Julia Exklusiv 0180
Aber ist es nicht eine schreiende Ungerechtigkeit, dass Emily Ratcliffe Hall nicht erben kann?“
Rob zuckte die Schultern. „Ich denke nicht, dass Emily es so empfindet. Würde hier nicht zufällig gerade ein Film gedreht, wäre es sicher sehr schwierig für mich, sie zum Hierbleiben zu bewegen. Sie findet das Landleben nämlich todlangweilig, und sehr aufregend ist es hier ja für einen Teenager wirklich nicht.“
„Wenn sie erst einmal ein paar Jahre älter ist, wird sie das alles mehr zu schätzen wissen.“
„Mag sein“, meinte Rob und blickte dann lächelnd auf den leeren Picknickkorb. „Scheint so, als hätte Nora wieder einmal recht gehabt.“
Lois folgte erstaunt seinem Blick. Sie war von Robs trauriger Geschichte so gefesselt gewesen, dass sie ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört und dabei unbewusst ein Sandwich nach dem anderen verdrückt hatte.
„Schön, ich gebe zu, dass alles köstlich geschmeckt hat“, bestätigte sie lachend. Zu ihrer Überraschung fühlte sie sich plötzlich viel besser und lange nicht mehr so erschöpft wie vorhin.
Rob klappte den Deckel des Korbs zu und stand auf. „Da ich schon einmal hier bin, sollte ich mir mal das Häuschen näher ansehen“, meinte er mit Blick auf den „Tempel“. „Bestimmt muss hier ebenfalls einiges repariert werden. Hast du Lust mitzukommen?“ Er streckte die Hand aus und half Lois aufzustehen.
„Was mag deine Vorfahren wohl bewogen haben, so weit vom Schloss entfernt ein solches Häuschen zu bauen?“, fragte sie, als sie sich wenig später in dem verstaubten Inneren umsah. „War es vielleicht als Sommerhäuschen gedacht?“
„Schon möglich“, gab er ihr zögernd recht. „Es ist bestimmt schon an die zweihundert Jahre alt. Damals waren solche Häuschen im Stil griechischer Tempel in Mode. Und da ein reicher Schlossherr zu jener Zeit unzählige Diener beschäftigte, hat man hier auch ausgedehnte Picknicks abgehalten und Musikabende und Theateraufführungen im Freien veranstaltet, bei denen der nachgebaute Tempel als Hintergrundkulisse diente.“
„Klingt, als hätte man das Leben in vollen Zügen genossen“, stellte Lois beinahe ein wenig neidisch fest. „Vorausgesetzt natürlich, man hatte Geld und gehörte den entsprechenden Kreisen an.“ Sie spähte durch eines der kleinen runden Fenster, die sich auf der hinteren Seite des Raumes befanden.
„Und sicher“, sagte Rob und trat hinter sie, „diente es auch einigen meiner Vorfahren als Liebesnest. Was meinst du?“
Die mit sanfter Stimme gestellte Frage veränderte jäh die Stimmung im Raum, und plötzlich herrschte eine eindeutig erotische Atmosphäre. Lois’ Pulsschlag beschleunigte sich, und sie kämpfte gegen das unwiderstehliche Verlangen an, sich umzudrehen und in Robs Arme zu schmiegen. Wie konntest du nur so dumm sein, ihm hier herein zu folgen, schalt sie sich, verzweifelt bemüht, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie durfte jetzt nicht schon wieder schwach werden.
„Keine Ahnung, darüber habe ich noch nicht nachgedacht“, antwortete sie schließlich und war stolz auf ihre ruhig klingende Stimme. Sie wandte sich um und ging langsam zum Ausgang. „Es wird Zeit für mich, zum Haus zurückzugehen.“
„Nein, das glaube ich nicht“, widersprach Rob spöttisch. Mit zwei Schritten war er bei ihr, hielt sie am Arm fest und drehte sie zu sich herum. „Mir ist nicht entgangen, dass du mir in den letzten Wochen ständig ausgewichen bist.“ Er nahm ihr die Sonnenbrille ab und legte sie auf den nächstbesten Stuhl. Dann zog er Lois an sich.
„Bitte, lass mich los!“, protestierte sie heiser. „Wir drehen heute Nachmittag, und ich muss jetzt wirklich gehen.“
„Nein, das musst du nicht! Ich habe mir den Drehplan genau angesehen“, gab er ohne Umschweife zu. „Du bist erst in einigen Stunden wieder dran. Oder probst du vorher noch mit dem glamourösen Mr. Gray privat auf deinem Zimmer?“, erkundigte er sich mit zynischem Lächeln.
„Was soll diese Anspielung?“ Sie sah ihn völlig perplex an. „Du willst doch nicht etwa behaupten, Neil und ich …?“
„Jeder, der Augen im Kopf hat, kann sehen, wie sehr ihr zwei eure heißen Liebesszenen genießt!“
„Noch nie habe ich einen solchen Unsinn gehört!“, rief sie empört. „Neil und ich bemühen uns nur, so gut wie möglich zu spielen. Dafür werden wir ja schließlich bezahlt. Sogar einem Kinomuffel wie dir müsste das einleuchten.“
„Kein Wunder, dass du mir so beharrlich aus dem Weg
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