Julia Exklusiv 0227
mit viel Lärm und Gelächter. Alles in allem ein typisch englischer Sonntag auf dem Land.
Ach, hör auf damit, das ist wirklich ziemlich bösartig, mahnte sie sich. Sie besuchte ihre Schwiegereltern nicht gern, weil sie befürchtete, Sally und Ben mit den Kindern seien auch da. Kate wollte sich nicht wieder mit Sally vergleichen lassen und dann hinterher auf der Rückfahrt mit Ryan streiten. Ich sollte nicht so abfällig über Ryans Eltern denken, schalt sie sich. Sie mochte die beiden, auch wenn Mrs Lassiters Herzlichkeit, ihr Charme und ihre unermüdliche Energie manchmal in Kate ein Gefühl der Unzulänglichkeit weckten.
Sie war einfach nicht daran gewöhnt, dass man in der Familie über alles redete, sogar über sehr persönliche Dinge, und auch nicht an so viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Kate selbst war ganz anders aufgewachsen.
Seufzend ging sie zurück in den Wohnbereich und blickte sekundenlang auf die geschlossene Tür zu Ryans Arbeitszimmer. Nichts in der Welt konnte sie, Kate, daran hindern, die Kluft zu überbrücken, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte. Sie konnte die Tür öffnen, den Raum betreten und Ryan fragen, wie lange er noch arbeiten würde. Das hatte sie früher oft getan. Und mehr als einmal war sie nackt zu ihm gegangen.
Als sie sich daran erinnerte, lächelte sie, wusste aber zugleich, dass sie es an diesem Abend nicht tun würde. Dafür hatte Ryan zu gleichgültig reagiert, als sie ihn umarmt hatte. Seine Berührungen waren viel zu leidenschaftslos und ohne innere Beteiligung gewesen. Früher hätte er sie an sich gezogen, seine Lippen auf ihre gepresst und mit den Händen verführerisch und sinnlich ihren Körper erforscht.
Nie zuvor hatte er sie zurückgewiesen, wenn sie auf ihn zugegangen war.
Eigentlich hat er mich ja nicht wirklich zurückgewiesen, er hat mich nur auf später vertröstet, versicherte sie sich sogleich. Dennoch wollte sie nichts riskieren und entschloss sich, Ryan an dem Abend die Initiative zu überlassen.
Sie ging ins Schlafzimmer und zog aus der Schublade des Wäscheschranks das Nachthemd hervor, das sie sich vor vier Wochen ganz spontan gekauft und bisher noch nicht getragen hatte. Es war aus elfenbeinfarbenem Seidensatin und raffiniert einfach geschnitten. Das weiche Material schmiegte sich an ihren Körper wie eine zweite Haut.
Richtig verführerisch, ohne dass man dahinter eine Absicht vermuten würde, dachte sie. Vielleicht würde sich keine bessere Gelegenheit mehr bieten, die Wirkung dieses Gewands auszuprobieren.
Kate zog es an, bürstete sich die Haare und ließ es über die Schultern fallen. Dann betupfte sie den Hals, die Handgelenke und ihre Brüste mit Patou’s Joy, ihrem Lieblingsparfüm.
Im schwachen Schein der Lampe legte Kate sich schließlich aufs Bett und wartete auf Ryan. Wir werden ja sehen, ob er dann wirklich morgen so früh nach Whitmead fährt oder ob er seine Eltern anruft und ihnen erklärt, er könne leider nicht kommen, sagte sie sich und lächelte vor sich hin.
Normalerweise hätte ihr eine solche Situation Spaß gemacht, aber an diesem Abend gelang es ihr nicht, sich zu entspannen und sich in die richtige Stimmung zu bringen. Da sie vorhatte, ihren Mann zu verführen, sollte er sie ausgeglichen, liebevoll und warmherzig vorfinden, bereit, sich an ihn zu schmiegen. Stattdessen waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt, und sie war völlig verunsichert.
Ungeduldig blickte sie immer wieder zur Treppe und lauschte angespannt auf jedes Geräusch. Doch es geschah nichts, obwohl Ryan versprochen hatte, sich zu beeilen. Die Zeit schien stillzustehen.
Kate erinnerte sich daran, dass sie im Yogakurs am College gelernt hatte, wie beruhigend richtiges Atmen sein konnte. Deshalb versuchte sie es damit. Sie atmete tief ein, hielt sekundenlang die Luft an, ehe sie langsam ausatmete.
Allmählich ließ die innere Anspannung nach – und Kate fielen die Augen zu, obwohl sie sich bemühte, nicht einzuschlafen.
Viel später wurde sie frierend wach. Zitternd vor Kälte richtete sie sich auf und bemerkte sogleich, dass sie immer noch allein war. Sie warf einen Blick auf den Radiowecker auf dem Nachttisch – es war schon früh am Morgen.
Kate stand auf und zog sich ihr Negligé über. Dann ging sie nach unten. Ryan lag auf dem Sofa und schlief tief und fest, während der Fernseher leise rauschte und der Bildschirm flimmerte. Sie schaltete das Gerät ab, ehe sie sich über ihren Mann beugte und ihn sanft an den Schultern
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