Julia Exklusiv 0227
ihre Schwägerin und auch deren Kinder, die vierjährige Holly und den achtzehn Monate alten Tom. Wie ihr Mann war Sally Wirtschaftsprüferin gewesen, ehe sie Vollzeitmutter wurde. Jedes Mal, wenn Kate sah, wie geduldig und liebevoll Sally sich um die lebhaften Kinder kümmerte, sagte sie sich: „Was für eine Verschwendung von Intelligenz und Wissen.“
Sally hatte nie angedeutet oder den Eindruck erweckt, unglücklich zu sein über ihre Mutterrolle. Ganz im Gegenteil.
Ryan hatte recht. Als sie heirateten, hatten Kate und er sich vorgenommen, bald ein Baby zu bekommen, ein Haus auf dem Land zu kaufen und sich einen Hund zuzulegen. Aber dann änderte sich plötzlich alles, weil Ryan seinen Job aufgab und sich eine neue Karriere aufbauen wollte. Ich hatte doch keine andere Wahl, ich musste arbeiten, damit wenigstens einer von uns beiden ein sicheres Einkommen hatte, überlegte sie.
Jetzt lief ihr Geschäft so gut, dass sie sich nicht wegen eines Babys daraus zurückziehen wollte. Außerdem wäre es auch Louise gegenüber nicht fair.
Kate zögerte. Normalerweise fügte sie an dieser Stelle in Gedanken hinzu, dass sie noch viel Zeit hätten, Kinder zu bekommen. Doch plötzlich zweifelte sie daran, ob es wirklich noch stimmte.
Ryan und eine andere Frau, ging es ihr durch den Kopf. War es vielleicht doch wahr? Hatte er sich deshalb ihr gegenüber so gleichgültig verhalten? Die ganze Zeit hatte Kate ihm vertraut und als selbstverständlich angenommen, er sei zu Hause und arbeite, während sie geschäftlich unterwegs war. Kontrolliert hatte sie ihn nie. Er hätte auch ganz woanders sein und sich mit allen möglichen Leuten treffen können.
Sie hatte das Gefühl, jemand würde ihr die Hand um die Kehle legen und langsam zudrücken. Der Champagner und die Gläser, dachte Kate und lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück. Warum hatte sie Ryan nicht gefragt? Es wäre eine ideale Gelegenheit gewesen, ihn auszuhorchen. Noch günstiger wäre es gewesen, einige nett verpackte Fragen zu stellen, wenn sie entspannt und zufrieden in seinen Armen gelegen hätte, nachdem sie sich geliebt hatten. Aber dazu war es nicht gekommen, und vielleicht würde es auch nie mehr dazu kommen, wenn Ryan wirklich eine andere liebte.
Kate seufzte. Zum ersten Mal ließ sie diesen schrecklichen Gedanken zu und versuchte, sich damit auseinanderzusetzen.
Es wäre schlimm, Ryan nie wieder berühren zu können, nie wieder seine Hände auf ihrer Haut zu spüren und zu erleben, welche herrlichen Gefühle er in ihr weckte. Ihn nie wieder in sich, in ihrem Körper aufzunehmen, um durch ihn und mit ihm gemeinsam Erfüllung zu finden.
Von Anfang an war er ein wunderbarer Liebhaber gewesen, einfühlsam, zärtlich und aufregend fantasievoll. Unter seiner liebevollen Führung hatte sie ihre eigene Sexualität erforscht und entdeckt. Sogar während der Krisen, die in jeder jungen Ehe auftraten, hatten sie im Bett wieder zueinandergefunden und sich leidenschaftlich und bedingungslos geliebt. Ihr gegenseitiges Verlangen hatte sie getröstet und auch Wunden geheilt.
Aber gestern Abend und heute Morgen hat der Zauber nicht gewirkt, dachte Kate. Sie hatte Angst und fühlte sich gedemütigt.
War Ryan etwa nur deshalb allein nach Whitmead gefahren, um seiner Familie zu eröffnen, seine Ehe sei gescheitert? Vielleicht war es der Grund, denn irgendwie hatte sie gespürt, dass er sie nicht hatte dabeihaben wollen. Und sollte sie einfach zuschauen und es geschehen lassen?
Nein, verdammt noch mal, das werde ich nicht, sagte sie sich entschlossen.
Sie sah auf die Uhr und runzelte die Stirn. Wenn sie sich sogleich auf den Weg machte, würde sie noch rechtzeitig zum Lunch in Whitmead eintreffen und erfahren, was los war.
Die Lassiters erwarteten sie natürlich nicht zum Mittagessen. Aber sie waren so gastfreundlich, dass sie ihre Schwiegertochter bestimmt freundlich empfangen würden, auch wenn sie überraschend und unangemeldet auftauchte.
Es war ein warmer, sonniger Tag. Obwohl lebhafter Ausflugsverkehr in London herrschte, kam Kate gut voran, nachdem sie aus der Stadt heraus war. Die meisten Ausflügler wollten ans Meer, während sie in die andere Richtung nach Surrey fuhr.
Das alte Pfarrhaus lag außerhalb des Orts neben der Dorfkirche. Das einladend wirkende rote Ziegelsteinhaus war von einem großen Grundstück und einer hohen Hecke umgeben.
Normalerweise fuhr sie wie alle Besucher durch das Tor und parkte den Wagen auf der mit Kies bedeckten Fläche
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