Julia Exklusiv 0227
ein gutes Kindermädchen zu finden.“
„Ja, sie haben es erwähnt“, sagte er gleichgültig.
„Wir sollten nichts überstürzen. Deine Mutter kann sich ja um die Kinder deiner Schwester kümmern“, fügte Kate hinzu, als müsste sie sich verteidigen.
„Natürlich“, stimmte er zu. „Aber ich kann dir nicht versprechen, dass nicht wieder irgendeine harmlose Bemerkung gemacht wird.“ Er verzog leicht die Lippen. „In unserer Familie sagt jeder, was er denkt.“
„Mag sein.“ Kate zauberte ein Lächeln auf die Lippen. „Willst du mir damit zu verstehen geben, dass ich nicht eingeladen bin?“
„Nein. Alle würden sich freuen, dich zu sehen. Doch ich dachte, du hättest nach deiner Rückkehr aus Gloucestershire noch im Büro zu tun. Deshalb habe ich dich entschuldigt.“
„Du hast recht“, erwiderte sie und löste sich von ihm. „Ich habe noch viel Papierkram zu erledigen. Vielleicht komme ich das nächste Mal mit.“
„Das ist wahrscheinlich besser.“
Bilde ich es mir nur ein, oder ist er wirklich erleichtert? fragte sie sich. Du liebe Zeit, war sie tatsächlich so eine schreckliche Person? Sie biss sich auf die Lippe.
Dann lächelte sie ihn betont fröhlich an. „Trinken wir noch ein Glas Wein zusammen?“
„Lieber nicht. Ich brauche einen klaren Kopf“, lehnte Ryan bedauernd ab.
„Willst du etwa heute Abend noch arbeiten?“ Kate versuchte erst gar nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen.
„Ja. Ich muss noch etwas korrigieren. Es dauert nicht lange.“
Kate nahm seine Hand in ihre. „Hat es nicht Zeit bis morgen?“ Ihre Stimme klang rau, beinah sehnsüchtig. „Ich habe dich sehr vermisst.“
Ryan schüttelte den Kopf. „Leider muss ich es jetzt erledigen, weil ich morgen schon früh nach Whitmead fahren will.“ Er entzog ihr seine Hand und streichelte Kate die Wange. „Ich beeile mich.“
„Versprochen?“
„Versuch nicht, mich zu verführen.“ Er küsste sie flüchtig auf die Stirn. „Bis später.“ Dann ging er mit seinem Aktenkoffer in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.
Eine Weile blieb Kate stehen und blickte wie betäubt vor sich hin. Schließlich räumte sie die leeren Gläser weg und wusch sie in der Küche aus. In der Fensterscheibe über der Spüle erblickte sie ihr Spiegelbild. Sie war blass und wirkte sehr angespannt. Ich sehe aus, als hätte ich Angst vor etwas, dachte sie schockiert. Sie brauchte sich doch nicht zu fürchten – oder vielleicht doch?
Zugegeben, das Wiedersehen war nicht gerade ermutigend verlaufen. Ryan hatte auf ihre unerwartete Rückkehr nicht so reagiert, wie sie es gehofft hatte. Normalerweise hätte sie sein Verhalten nicht gestört. Es war nicht ungewöhnlich, dass er kurz vor Vollendung eines Romans zerstreut war und die meiste Zeit in seinem Arbeitszimmer verbrachte.
Doch seit sie den anonymen Brief erhalten hatte, war nichts mehr normal. Die wenigen Worte hatten Misstrauen gesät. Man sah ihr an, wie verunsichert und beunruhigt sie jetzt war.
Er hatte Informationen für sein Buch gebraucht, wie er behauptet hatte. Aber weshalb hatte er sich dann so elegant angezogen? Und gegessen hatte er auch schon. Etwa allein im Restaurant?
Warum habe ich ihn nicht gefragt? überlegte Kate, während sie sich eine Haarsträhne um den Finger wickelte, wie sie es als Kind schon getan hatte, wenn sie nicht weiterwusste.
Hatte sie vielleicht Angst, ihn auszufragen, und wollte die Wahrheit gar nicht erfahren? Ihr schauderte, und sie drehte sich um, damit sie ihr Spiegelbild nicht mehr sehen musste.
Ryan hatte sich nicht gefreut über ihre vorzeitige Rückkehr, aber das musste noch lange nicht bedeuten, dass er sie wirklich betrog. Es gab auch eigentlich keinen Grund, weshalb er seine Pläne für den nächsten Tag ändern sollte. Sie waren erwachsene Menschen und hatten beide einen Beruf, der sie ganz in Anspruch nahm.
Ich fühle mich sowieso wohler, wenn ich den Sonntag nicht im Kreis von Ryans Familie in Whitmead verbringen muss, sagte sie sich und verzog das Gesicht. Jeder Sonntag verlief dort routinemäßig immer nach demselben Schema. Es gab Rostbraten mit Gemüse aus dem eigenen Garten und immer dieselben Getränke dazu. Sogar unerwartete Gäste störten den Ablauf nicht. Man war auf alles vorbereitet. Am Nachmittag wurde Krocket gespielt oder französisches Kricket. Oder man ging mit den Hunden spazieren, um bis zum Tee, zu dem Gebäck und Kuchen gereicht wurden, wieder Appetit zu haben. Danach wurde Karten gespielt
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